Tod im Häcksler

Folge: 249 | 13. Oktober 1991 | Sender: SWF | Regie: Nico Hofmann
Bild: SWR/Johannes Hollmann
So war der Tatort:

Pfälzisch-sibirisch. 

Denn die in Ludwigshafen ansässige Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) ermittelt bei ihrem dritten Einsatz nicht nur bei klirrender Kälte, sondern auch außerhalb ihrer gewohnten Umgebung: Die junge Hauptkommissarin wird von Kriminalrat Friedrichs (Hans-Günter Martens) in das (fiktive) Dörfchen Zarten geschickt, in dem vor zwei Jahren der aus Rumänien eingewanderte Hofbesitzer Petru Höreth verschwunden ist und der neben seiner bemerkenswert akzentfrei sprechenden Frau Dana (Monica Bleibtreu, Abschaum) auch seine 17-jährige Tochter Mechthild (Patrizia Schwöbel, Häschen in der Grube) zurückgelassen hat. 

Nun hat ein halbes Dutzend Halbstarker Höreths Kleidung im Pfälzerwald gefunden – ein willkommener Grund für die von ihrem Freund gestresste Odenthal, zu den Klängen von Canned Heats Going Up The Country in einem eigentlich ausrangierten VW Käfer aufs Land zu fahren und den Fall neu aufzurollen, während Assistent Seidel (Michael Schreiner) im Präsidium ausharrt und bei den Ermittlungen diesmal (fast) keine Rolle spielt. 

Dafür erhält Odenthal in der pfälzischen Provinz von einem anderen Mann Unterstützung: Der in Zarten zuständige Dorfpolizist Stefan Tries (Ben Becker, Der Fall Reinhardt) hilft der erfahreneren Großstadtpolizistin nicht nur bei der Zimmersuche, sondern erklärt ihr neben Land und Leuten auch die einleitend erwähnte Begrifflichkeit, die bis heute als Gag für Pirmasenser Autokennzeichen zum Einsatz kommt und nach der TV-Premiere des Krimis den rheinland-pfälzischen Wirtschaftsminister Rainer Brüderle auf die Palme brachte.


ODENTHAL:
Schöne Landschaft.

TRIES:
Pfälzisch Sibirien.

ODENTHAL:
Wie?

TRIES:
So nennen wir das hier. Wer nicht unbedingt bleiben will, haut ab.


Ein bisschen ist die damalige Aufregung um den gerade einmal 80 Minuten langen Film zu verstehen: Regisseur Nico Hofmann, der sich in den Jahren danach als Produzent von TV-Blockbustern wie Vulkan oder Mogadischu zu einem der einflussreichsten deutschen Filmemacher entwickelt und gemeinsam mit dem späteren Klara Blum-Erfinder Stefan Dähnert (Schlaraffenland) auch das Drehbuch zum Film geschrieben hat, lässt beim Skizzieren der pfälzischen Landbevölkerung kaum ein Klischee aus. 

Ähnlich verzerrte Darstellungen sind ab 2002 häufig im Tatort aus Hannover zu beobachten (vgl. Pauline, Hexentanz), doch liegt das größte Manko des kurzweiligen und über weite Strecken auch überzeugend besetzten Krimis woanders: Im Hinblick auf das aufzuklärende Schicksal des verschwundenen Rumänen erweist sich der (wenn auch erst am Ende eingeblendete) Filmtitel als heftiger Spoiler und und nimmt der ansonsten spannenden, wenn auch etwas hölzern erzählten Geschichte einen großen Trumpf. 

Anders als Odenthal weiß der Zuschauer schon nach 13 Minuten, dass Höreth den Tod im Häcksler des mit der minderjährigen Mechthild liierten Hühnerbauern Sprengler (Rudolf Kowalski, Der kalte Tod) gefunden hat – stellen sich eigentlich nur noch die Fragen, wer ihn dort hineinbefördert hat und warum. Das Erraten von Auflösung und Tatmotiv ist aber erfreulicherweise kein Kinderspiel und der Showdown ebenso packend inszeniert wie eine nächtliche Observation Odenthals und ein Brandanschlag auf ihr improvisiertes Büro, nachdem sich die toughe Kommissarin und der in sie verschossene Tries näherkommen. 

Das Pfälzer Kulturgut kommt beim Anbandeln nicht zu kurz: Odenthal legt mit ihrem schüchternen Verehrer, der 1995 in Die Kampagne und 2019 in Die Pfalz von oben zwei weitere Male in einem Krimi aus der Kurpfalz zu sehen ist, und dessen trinkfestem Vater (Dietz-Werner Steck, ermittelt ab 1992 als 'Ärnschd' Bienzle im Tatort aus Stuttgart) zu den Klängen von Beim Pfälzer Wein da sind wir alle Brüder einen flotten Walzer aufs Parkett. 

Peinliches Product Placement gibt es im 249. Tatort allerdings auch zu entdecken: Während die Teenager um Harry Potter-Verschnitt Manfred (bemerkenswert talentfrei: Steven Schubert) einleitend interessiert in Playboy-Heften blättern und in einigen Filmszenen zu seltsam deplatziert wirkenden Statisten degradiert werden, hängen die Dorfpolizisten ein riesiges ONKO-Kaffee-Schild im Präsidium auf – und sind ihren Kollegen aus der TV-Werbung von 1993 damit eine Nasenlänge voraus.

Bewertung: 6/10