Die Kommissarin: Alptraum

Folge: 359 | 4. Mai 1997 | Sender: NDR | Regie: Bodo Fürneisen
Bild: NDR
So war der Tatort:

Frauenfeindlich.

Zumindest, wenn es nach der Entscheidung des alljährlichen Medienfrauentreffens geht, das den zweiten Einsatz von LKA-Kommissarin Lea Sommer (Hannelore Elsner) mit der Sauren Gurke für den frauenfeindlichsten Film des Jahres 1997 auszeichnete, weil er "auf zynische Weise überkommene Weiblichkeitsstereotypen" vermittele. 

Diese zweifelhafte Ehre war 1981 bereits dem Berliner Tatort Katz und Mäuse zuteil geworden und kommt nicht von ungefähr: In Die Kommissarin: Alptraum, dem zugleich letzten Ausflug der beliebten HR-Vorabendfigur in die Krimireihe (nach dem ähnlich missglückten Tatort Die Kommissarin: Gefährliche Übertragung), wird die Hauptdarstellerin von Regisseur Bodo Fürneisen (Schweinegeld) und Kameramann Sebastian Richter erneut in schönen Bildern als sinnliche Frau in Szene gesetzt – an der Darstellung ihrer fachlichen Inkompetenz haben die Filmemacher allerdings ihre helle Freude. Sommer und die anderen Frauenfiguren, die Top-Positionen in Justiz und Kultur bekleiden, werden mehr oder weniger subtil nach allen Regeln der Kunst demontiert. 

Selbstbewusst stellt sich Kommissarin Sommer einem Frauenmörder als Lockvogel entgegen, erträgt seine regelmäßigen nächtlichen Anrufe und läuft ihm gar mitten in der Nacht in Bademantel und Stricksocken über die Straße vor ihrem Haus hinterher. Die ihr zugedachte Opferrolle nimmt sie nicht an: Sie muss auf sich allein gestellt ermitteln, weil ihre Assistenten Jens (Stephan Meyer-Kohlhoff) und Walter Klaffki (Rudolf Kowalski, Der kalte Tod) mit bemerkenswerter Konsequenz die falschen Lösungsansätze verfolgen. 

Unnötig kompliziert erklärt Sommer ihnen stets den aktuellen Stand der Ermittlungen – und so schwindet bei diesem klassischen Whodunit leider auch schnell die Lust am Miträtseln. Rätselhaft bleibt vor dem Bildschirm nämlich vor allem die Frage, warum die Kommissarin die vielen sicht- und hörbaren Hinweise, die sie geradezu auf dem Silbertablett präsentiert bekommt, nicht wahrnimmt – denn selbst nachdem der vermeintliche Serienmörder verhaftet ist, nehmen die von einem markanten Bodensee-Akzent gekennzeichneten Anrufe kein Ende.


SOMMER:
Ich werde Sie kriegen – nicht obwohl ich eine Frau bin, sondern weil ich eine Frau bin!


Hatte sich das Drehbuch für den Vorgänger Die Kommissarin: Gefährliche Übertragung als zu klein für das Spielfilmformat herausgestellt, versucht Drehbuchautor Bodo Kirchhoff (Nach eigenen Gesetzen) dieses Problem nun zu lösen, indem er die Zahl der Verdächtigen erhöht. 

Die gibt es im 358. Tatort reichlich: Den um eine Beförderung gebrachten Staatsanwalt Dr. Risterer (Walter Kreye, Voll ins Herz), der einleitend den Sexualmord an einer Hebamme abwenden kann, den charmanten Psychologen Cornelius Reusch (Christoph M. Ohrt, Puppenspieler), der mit der statt Risterer zur Oberstaatsanwältin beförderten Dr. Jacobi (Suzanne von Borsody, Roomservice) liiert ist, und schließlich sogar Sommers Bekannten Hans Schilling (Helmut Berger, Der Finger), dem man in seiner Funktion als Theaterregisseur ebenfalls eine erfolgreiche Frau vor die Nase gesetzt hat. 

Mit der Entscheidung, Lea Sommer gleich drei charismatische Antagonisten in das Drehbuch zu schreiben, vergibt der Film allerdings die Chance auf ähnlich erotisch prickelnde Situationen wie in ihrem Erstlingstatort: Allein, als sich aus einem Flirt unversehens ein Verhör entwickelt, bekommt wenigstens einer der Gegenspieler mal die Möglichkeit, sich als Gegenüber zur toughen Hauptkommissarin zu profilieren. 

Kennzeichnet die Vorabendserie Die Kommissarin die Grundidee, dass sich die Ermittlerin bei ihren Auftritten in Frankfurt geradezu regelmäßig in Mörder und Mordverdächtige verguckt und dies den Folgen und der Figur eine gewisse Leichtigkeit gibt, erstickt die Anzahl an Verdächtigen (und damit auch der Annäherungsversuche) die Intensität des Zusammenspiels im Hamburger Tatort-Ausflug fast von vornherein. 

Immer wieder wird der Krimi auch durch die eingangs erwähnten, rekapitulierenden Ermittlungsgespräche ausgebremst. Selbst die Dramatik der hochemotionalen Schlusssequenz wird erstickt von unzähligen Worten, mit denen der Täter seine Motivation erläutert – alles ein wenig zu viel für die Unbeschwertheit der Serienfigur. 

Letztlich sollte Hannelore Elsner, die sich über die Aufnahme der beiden spielfilmlangen Folgen in die Tatort-Reihe echauffiert hatte, mit ihrer Skepsis Recht behalten. Das Problem der beiden Filme ist aber nicht die Krimireihe selbst, denn in ihr haben viele Solo- und Seltenauftritte von Kommissaren einen Platz gefunden: 90 Minuten spannend zu füllen, gelingt in beiden Folgen weder in der Dramaturgie, noch im Drehbuch. Und so birgt Sommers letzter Satz im Tatort denn auch eine gewisse Ironie.


SOMMER:
Der Alptraum ist zu Ende!


Bewertung: 3/10