Borowski und der freie Fall

Folge: 846 | 14. Oktober 2012 | Sender: NDR | Regie: Eoin Moore
Bild: NDR/Marion von der Mehden
So war der Tatort:

In der Realität verankert.

Denn im Jahr 1987 ging das Bild des tot in einer Genfer Hotelbadewanne aufgefundenen schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Uwe Barschel um die Welt: Mord oder Selbstmord? Seit mittlerweile 25 Jahren ranken sich wilde Theorien um den Schlusspunkt der Waterkantgate-Affäre – von Suizid und Sterbehilfe bis hin zu Stasi-Verwicklungen, BND-, CIA- und Mossad-Auftragsmord ist so gut wie alles dabei.

Nun wagt Regisseur und Drehbuchautor Eoin Moore mit Borowski und der freie Fall ein bemerkenswertes Experiment: Er verschränkt seinen Kieler Tatort mit dem zeitgeschichtlichen Kriminalfall, bezieht dabei sogar Stellung und stiehlt sich erst auf der Zielgeraden ein wenig aus der (Barschel-)Affäre. Ein Videotape bringt neues Leben in die eigentlich zu den Akten gelegten Fall, dem selbst der Fund einer DNA-Spur vor wenigen Monaten kein neues Leben einzuhauchen vermochte.

Wer von dem umstrittenen Ex-Politiker ("Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort!", auch Borowskis letzte Worte im Film) und seinem vieldiskutierten Ableben noch nie gehört hat, wird dank des öffentlich-rechtlichen Bildungsauftrags weich aufgefangen: Moore, der nach der Stuttgarter Episode Altlasten zum zweiten Mal einen Tatort inszeniert, zitiert Nachrichtenbeiträge und schreibt Hauptkommissar Klaus Borowski (Axel Milberg) und Kommissarsanwärterin Sarah Brandt (Sibel Kekilli) Zeilen ins Skript, die das historisch weniger bewanderte Publikum mit dem nötigen Grundwissen versorgen.

Der markige Dialogwitz, der das Verhältnis der beiden seit jeher kennzeichnet, kommt dabei dennoch nicht zu kurz.


BOROWSKI:
Sie sind so eine, die mit 35 Schladitz' Stelle haben will, oder?

BRANDT:
Ihre würde mir auch schon reichen.


Auch sonst darf erfreulich oft gelacht werden: So fuchtelt Borowski, der nach dem denkwürdigen Abgang seines rostigen Passats nun einen roten Volvo fährt, wie ein talentfreier Aushilfsmagier mit der Hand über Brandts iPad, in der vergeblichen Hoffnung, dass sich auf dem Tablet etwas regt.

Auch die aus der Not geborene Männer-WG mit seinem Vorgesetzten Roland Schladitz (Thomas Kügel) generiert einige Lacher, wenngleich die Szenen nicht ganz so köstlich ausfallen wie im herausragenden Brandt-Erstling Borowski und die Frau am Fenster.

Schwächeln tut Borowski und der freie Fall ein wenig im Nebenhandlungsstrang um das Outing des ambitionierten Politikers Karl Martin von Treunau (Thomas Heinze, Keine Polizei): Zwar fällt der Medienterror deutlich authentischer aus als im ähnlich gelagerten Berliner Tatort Eine ehrliche Haut, doch wird am Ende ein bisschen zuviel Trara um einen homosexuellen Abgeordneten gemacht, der zu Zeiten schwuler deutscher Außenminister und Berliner Bürgermeister in der Realität längst nichts Besonderes mehr ist.

Der entscheidende Schönheitsfehler, der eine höhere Wertung des ansonsten erstklassig und spannend konstruierten Krimis verhindert, ist aber ein altbekanntes Tatort-Problem: Einmal mehr ist der/die prominenteste/r Nebendarsteller/in der/die Mörder/in – und das macht den 846. Tatort trotz aller Experimentierfreude im Endeffekt doch ziemlich vorhersehbar.

Bewertung: 8/10

1 Kommentar:

  1. Thomas Heinze war für mich allerdings der prominenteste Nebendarsteller!

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