Benutzt

Folge: 967 | 26. Dezember 2015 | Sender: WDR | Regie: Dagmar Seume
Bild: WDR/Thomas Kost
So war der Tatort:

Formelhaft.

Einen Tag bevor der Hessische Rundfunk sich anschickt, die Krimireihe mit seiner gewagten Film-im-Film-Konstruktion Wer bin ich? einmal mehr neu zu erfinden, und sechs Tage bevor Til Schweiger und Helene Fischer im Action-Feuerwerk Der große Schmerz die Kugeln fliegen lassen, liefert der WDR den Zuschauern einen Krimi der alten Schule: Benutzt ist ein sehr klassisch gestrickter Tatort, bei dem all jene Abläufe im Mittelpunkt stehen, denen der Tatort seine große Fangemeinde verdankt: ein Leichenfund zum Auftakt, ein halbes Dutzend Verdächtiger und der typische Mix aus Ermittlungen der Kommissare, Fleißarbeit der Assistenten und Erkenntnissen der Spurensicherung.

Drehbuchautor Jens Maria Merz, für den das Genre ebenso Neuland ist wie für Regisseurin Dagmar Seume, reiht eine gute Stunde lang die erfolgserprobten Standardmomente aneinander: Da dürfen natürlich auch ein arroganter Winkeladvokat – hier: Rechtsanwalt von Karstdorff (Gerrit Jansen) – und eine Verfolgungsjagd nicht fehlen, die diesmal durch ein Hotel führt und eher unspektakulär ausfällt. Auch der Zwischenstopp an der Wurstbraterei fällt aus: Die Kölner Hauptkommissare Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) verzehren ihre Currywurst im Dienstwagen, doch das Ersatzprodukt der Konkurrenz kann natürlich nicht mit dem Stamm-Imbiss am Rheinufer mithalten ("Ich weiß nicht, das kann man nicht essen!").

Gerichtsmediziner Dr. Roth (Joe Bausch) wird derweil von Kollegin Anke Schleiche (Alexandra von Schwerin, Im Schmerz geboren) vertreten, deren Nachname sich kaum zufällig auf "Leiche" reimt und die ihre Sache recht ordentlich macht. Schleiche ist es dann auch, die den Kommissaren bei der einleitenden Tatort-Besichtigung erste Hinweise auf den Täter liefert: Nachdem Exportberater Martin Lessnik (Jens Babiak) tot aus dem Rhein gezogen wurde, führt die Spur wie schon in den vorherigen drei Tatort-Folgen (vgl. LU, Einmal wirklich sterben, Borowski und die Rückkehr des stillen Gastes) in die Vergangenheit.

Lessnik hatte einst mit seinem Geschäftspartner Karsten Holler (Christian Seichter) eine Motorradtour durch die Sahara unternommen. Letzterer war dabei spurlos verschwunden und wurde später offiziell für tot erklärt – und auf einem Schweizer Nummernkonto gingen ein paar Millionen Euro ein.

Eine gute Stunde lang hangeln sich Ballauf und Schenk recht mühsam von Befragung zu Befragung, vernehmen Hollers Ex-Frau Sarah (Dorka Gryllus, Schwindelfrei) sowie seine windigen Ex-Geschäftspartner Christian Winter (Thomas Dannemann, Wolfsstunde) und Uwe Gläsgen (Matthias Komm, Mein Revier) – und bald ist klar, dass Holler im Gegensatz zu Lessnik alles andere als tot ist.

Ist die Katze erstmal aus dem Sack, brechen die Filmemacher dann aus den altbekannten Schemata aus: Auf der Suche nach der Auflösung folgen im letzten Filmdrittel doch noch ein paar Wendungen. Nicht jede fällt allerdings glaubwürdig aus: Vor allem der Fund der obligatorischen zweiten Leiche und dessen Auswirkungen auf das Spannungsfeld zwischen den Verdächtigen, zu denen auch die undurchsichtige ZKA-Ermittlerin Kathrin Brandt (Winnie Böwe, Todesschütze) zählt, wirken ziemlich konstruiert.

Benutzt ist dennoch ein solider, wenn auch lange Zeit konventioneller Krimi, der mit einem Novum aufhorchen lässt: Tobias Reisser (Patrick Abozen), der mit Kollegin Sabine Trapp (Anna von Haebler) vom Zollkriminalamt viel Fleißarbeit im Präsidium verrichtet, outet sich als erster schwuler Assistent der über vierzigjährigen Tatort-Geschichte. Seine Ansage fällt angenehm knapp aus – der 967. Tatort ist eben solide Kölner Krimi-Kost, bei der nicht die Charakterzeichnung, sondern die Tätersuche im Vordergrund steht.


REISSER:
Ich find dich wirklich super, echt. Aber kann ich meinen Freund mitbringen?


Bewertung: 5/10

1 Kommentar:

  1. Enttäuschender Tatort! Ich bin besseres aus Köln gewöhnt.

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