Mia san jetz da wo's weh tut

Folge: 982 | 3. April 2016 | Sender: BR | Regie: Max Färberböck
Bild: BR/Roxy Film GmbH/Regina Recht
So war der Tatort:

Silber.

Denn Mia san jetzt da wo's weh tut ist nicht nur der 72. Fall der silbergelockten Münchner Hauptkommissare Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl), sondern zugleich ihr 25-jähriges Dienstjubiläum – also praktisch ihre Silberhochzeit.

Anders als die dienstälteste Tatort-Kommissarin Lena Odenthal (Ulrike Folkerts), die bereits seit 1989 im Einsatz ist, sind Batic und Leitmayr als Figuren aber hervorragend gealtert – was neben der BR-Redaktion auch an den tollen Drehbüchern liegt, die dem Publikum unter anderem Tatort-Meilensteine wie Frau Bu lacht, Der oide Depp oder Nie wieder frei sein bescherten.

Auch Mia san jetzt da wo's weh tut liefert wieder eine erstklassige, wenn auch ziemlich sperrige Geschichte, die dem Zuschauer ein Höchstmaß an Aufmerksamkeit abverlangt: Regisseur und Drehbuchautor Max Färberböck (Der Himmel ist ein Platz auf Erden) lässt drei Handlungsstränge parallel laufen.

Da ist zum einen der Fall der ermordeten rumänischen Prostituierten Aurelia Rubin (Anne-Marie Waldeck), den Batic und Leitmayr mit ihrem Assistenten Kalli Hammermann (Ferdinand Hofer) neu aufrollen und dabei auf den charismatischen Bordellbetreiber Harry Schneider (Robert Palfrader) treffen.

Dann die Verstrickungen im Milieu, die Schneiders skrupellosen Handlanger Siggi Rasch (Andreas Lust, Côte d'Azur) und den koksenden Auftragskiller Roman Czernik (Till Wonka, Auf einen Schlag) auf den Plan rufen.

Und nicht zuletzt die Flucht von Wäschereifahrer Benny (Max von der Groeben) und Mia Petrescu (Mercedes Müller, Willkommen in Hamburg), einer einst mit der Toten befreundeten Prostituierten: Wer hier auch nur drei Minuten nicht aufpasst, verpasst Entscheidendes. Oder womöglich den kurzen Umtrunk im Präsidium – stilecht mit Espresso aus Pappbechern.


LEITMAYR:
Wenn ich was hass', dann Dienstjubiläum. Und womöglich noch g'schissnen Champagner dazu!


Fünf Wochen nach dem mittelprächtigen Kölner Tatort Kartenhaus, bei dem alles in geordneten Bonnie-und-Clyde-Bahnen ablief, wählt Färberböck einen für ihn typischen, gänzlich anderen erzählerischen Ansatz und lotet die seelischen Abgründe seiner Figuren dabei ausführlich aus: Statt die Erkenntnisse von den Kommissaren vorgekaut zu bekommen, ist der Zuschauer ihnen oft voraus und muss sich selbst einen Reim auf das Gesehene machen. Spätestens nach einem Blutbad in Bennys Wohnung scheint in dieser leichenreichen und selten ausrechenbaren Kreuzung aus Whodunit, Melodram und Milieuthriller nichts mehr unmöglich.

Vielen Tatort-Puristen schmeckt dieser fordernde Stil nicht – wer aber die Erzähltechniken zeitgenössischer US-Erfolgsserien wie True Detective mag, kommt im 982. Tatort voll auf seine Kosten. Dass Batic und Leitmayr diesmal auf Fallanalytikerin Christine Lerch (Lisa Wagner) verzichten müssen, erweist sich als Vorteil: Losgelöst von den etablierten Strukturen des Sonntagskrimis treiben die Figuren selbst die Geschichte voran. Allein der in der Rolle des aufbrausenden Puffkönigs Schneider famos aufspielende Robert Palfrader ("Die scheiß ich mit einem einzigen Anwalt zu!") ist das Einschalten wert.

Auch handwerklich spielt Färberböcks Film in der ersten Liga: Nicht nur dank des stimmungsvollen Soundtracks werden Erinnerungen an sein Meisterwerk Am Ende des Flurs wach, dem er mit einigen Weißblenden und einer Wohnungsdurchsuchung am Ende des Flurs die Referenz erweist. Fast magisch wirken die großartig fotografierten Szenen im Präsidium, bei denen Kameramann Alexander Fischerkoesen (Aus der Tiefe der Zeit) gekonnt mit den Lichtverhältnissen spielt: Beim letzten Verhör unterstreichen Batic‘ tiefschwarze Augenhöhlen eindrucksvoll die aufkeimende Wut des temperamentvollen kroatischen Kommissars.

Nicht nur in dieser Sequenz wird der visuell herausragende Münchner Jubiläumsfall zum kleinen Krimi-Kunstwerk, das zu den besten Tatort-Folgen des Jahres 2016 zählt.

Bewertung: 8/10

2 Kommentare:

  1. "Mia san jetz da wo's weh tut"- Tatort hat mir ausgezeichnet gefallen. Spitze!

    AntwortenLöschen
  2. Nomen est omen. Schließlich tut dieser Tatort mit seinem lästigen Hin und Her dem Zuschauer fast wirklich schon weh - dabei ist die Geschichte im Prinzip nicht schlecht und hätte einfach weniger umständlich erzählt werden können. So fehlt aber komplett ein roter Faden. Weh tun auch Miroslav Nemec' Overacting-Einlagen, denn seine Drohungen sind wirklich komplett übertrieben. Und es tut weh, dass Mercedes Müller zum 100sten Mal die exakt gleiche Rolle der schönen Prostituierten serviert bekommt.
    Zu guter letzt ist das zu oft gesprochene bayerisch selbst für mich als Münchner etwas anstrengend.
    Unterm Strich steht der Film also für mich hinter so tollen Filmen wie "Der tiefe Schlaf" oder "Die Wahrheit" deutlich zurück und kommt über ein "schwach" nicht heraus: 3/10.

    AntwortenLöschen