Wacht am Rhein

Folge: 1007 | 15. Januar 2017 | Sender: WDR | Regie: Sebastian Ko
Bild: WDR/Thomas Kost
So war der Tatort:

Heikel.

Denn bei ihrem 68. gemeinsamen Einsatz geraten die Kölner Hauptkommissare Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) mit zwei Gruppierungen aneinander, die in den Monaten vor der TV-Premiere des Films für reichlich Negativschlagzeilen gesorgt haben: kriminelle Flüchtlinge und ausländerfeindliche Rechtspopulisten.

"Irgendwann wird es uns nicht mehr geben, dann sind wir fremd im eigenen Land", lautet eine von vielen plumpen Parolen des besorgten Bürgers Dieter Gottschalk (Ex-Polizeiruf 110-Kommissar Sylvester Groth, Wer das Schweigen bricht), für die es auf einer PEGIDA-Kundgebung oder einem Parteitag der AfD tosenden Applaus geben würde – und auch in seinem Kölner "Veedel" erntet er reichlich Zustimmung für seine Hetze.

Nach ein paar Überfällen und dealenden Ausländern an jeder Straßenecke macht man sich Sorgen um die eigene Sicherheit und hat die titelgebende Bürgerwehr Wacht am Rhein gegründet, die Patrouille auf den Straßen läuft: In vorderster Front dabei sind auch der marokkanische Ladenbesitzer Adil Faras (Asad Schwarz) und die junge Mutter Nina Schmitz (Nadja Bobyleva, Kaltblütig) – anders als der aalglatte Gottschalk gehen die beiden aber einen Schritt zu weit und entführen Faras' Landsmann Baz Barek (Omar El-Saeidi, Rabenherz), der in Köln studiert und mit dem Mord am Sohn von Zooladenbesitzer Peter Deisböck (Paul Herwig) und Ehefrau Katharina (Helene Grass, Stille Tage) gar nicht zu tun hat. Doch mitgefangen, mitgehangen: Wenn die Bürgerwehr Selbstjustiz übt, reicht ein falscher Pullover, um als krimineller Ausländer eingestuft zu werden.

Schenk kann der Wacht am Rhein freilich auch Positives abgewinnen:


SCHENK:
Wir sind seit Jahren chronisch unterbesetzt. Vielleicht ändert sich ja mal was!


Regisseur Sebastian Ko (Kartenhaus) und Drehbuchautor Jürgen Werner (Zahltag), der in den letzten Jahren mit seinen starken Drehbüchern für den Tatort aus Dortmund für Aufsehen sorgte, setzen sich zum einen mit den falschen Vorurteilen gegenüber vorbildlich integrierten Bürgern mit Migrationshintergrund auseinander. Zum anderen illustrieren die Filmemacher, wie ein Unschuldiger durch vorschnelle Schlussfolgerungen in die Täterrolle gedrängt werden kann – eine Erfahrung, die auch der farbige Assistent Tobias Reisser (Patrick Abozen) machen muss.

Doch da ist noch der dritte Aspekt, der diesen Tatort so heikel macht: Um die dramatisch endenden Fehltritte der Bürgerwehr auszulösen, braucht es im 1007. Tatort ein klares Feindbild – und das sind kriminelle Flüchtlinge wie der unter Tatverdacht stehende Nordafrikaner Khalid Hamidi (Samy Abdel Fattah, Borowski und die Kinder von Gaarden), der von seinen Freunden rigoros gedeckt wird und dem deutschen Rechtsstaat schamlos ans Bein pisst. Sollte man die schwarzen Schafe unter den Zuwanderern in einem öffentlich-rechtlichen Fernsehfilm so stark in den Mittelpunkt rücken und damit weitere Vorurteile schüren?

Fiktive Figuren wie der aufmüpfige Hamidi sind schließlich Wasser auf die Mühlen der Ausländerfeinde – und ähnlich wie in Ohnmacht bekommt Ballauf den mangelnden Respekt gegenüber der deutschen Polizei sogar am eigenen Leib zu spüren. Doch anders als im überschätzten Kölner Tatort von 2014 reagieren die Kommissare besonnen: Ballauf und Schenk bilden in der aufgeheizten Atmosphäre den Ruhepol des Films, weil sie im Brennpunkt zwischen rechter Hetze und provokanten Kriminellen nie den Überblick verlieren.

Unabhängig von diesem gesellschaftskritischen Ansatz funktioniert Wacht am Rhein aber auch als Whodunit: Der packend in Szene gesetzte Auftaktmord im finsteren Zoogeschäft gestaltet sich bewusst unübersichtlich, so dass das letzte Wort bei der Suche nach der Auflösung erst spät gesprochen wird. Bei der Rekonstruktion des Tathergangs kommen dann nicht nur die Fans der Ermittler aus der Domstadt auf ihre Kosten: Ballauf und Schenk exerzieren einen rund einminütigen Dialog nur mit zustimmendem "Hmmmm" und verneinendem "Hm-Hm" durch - einfach köstlich.

Eingefleischten Tatort-Kennern dürfte darüber hinaus noch eine weitere Szene große Freude bereiten: Klaus Doldinger, Komponist der legendären Tatort-Titelmusik, ist in einer Cameo-Rolle als Saxophonspieler zu sehen.


SCHENK:
Sach mal, war das nich...

BALLAUF:
Nein.

SCHENK:
Nee, ne? Nee, das kann doch gar nich sein.

BALLAUF:
Oder?

SCHENK:
Nee!


Bewertung: 7/10

8 Kommentare:

  1. Wann wird in einem Tatort die Ausländerkriminalität endlich so dargestellt, wie sie in unserem Land tagtäglich zugegen ist? Und nicht ein konstruiertes und verzerrtes Bild? Schade, ich habe den Tatort immer gern gesehen aber jetzt greift auch hier die Meinungsbildungsmaschine des politischen Establishments durch.

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  2. Schluss mit dem politischen Erziehungsfernsehen. GEZ Primetime: GesinnungsErziehungsZeit. Letzte Woche mit dem Tatort Frankfurt schon schrecklich, jetzt wieder eine politisch schöngefärbte Handlung. Ich will einfach einen guten Krimi ohne Klischees bzw Antiklischees.

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  3. Wann wird in einem Tatort die Ausländerkriminalität endlich so dargestellt, wie sie in unserem Land tagtäglich zugegen ist? Und nicht ein konstruiertes und verzerrtes Bild? Schade, ich habe den Tatort immer gern gesehen aber jetzt greift auch hier die Meinungsbildungsmaschine des politischen Establishments durch.

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  4. Imho Note 1.

    Die Story war klasse, ohne Längen, packend, die Akteure glaubwürdig, haben top gespielt.

    Ich fand nichts zu bemängeln.

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  5. Super Tatort!!! Total spannend und erschreckend realistisch! Und der rechte Flügel fühlt sich ja bereits angesprochen. Ziel erreicht! Danke, weiter so.

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  6. Unglaublich!
    Der zweite Tatort in Folge zum Thema "Flüchtlinge/Migranten".
    Will die ARD das jetzt jeden Sonntag bis zur Wahl so fortsetzen und uns dauerbelehren? Für wie blöd halten Sie den Zuschauer?

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  7. Der Tatort sollte besser bleiben was er immer war: Mehr oder weniger spannender Sonntagabendkrimi - ohne politische Attitüde. Punkt.

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  8. Die Kölner hatten schon weitaus bessere Drehbücher als dieses. Beinahe hätte ich ausgeschaltet.

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