Tollwut

Folge: 1046 | 4. Februar 2018 | Sender: WDR | Regie: Dror Zahavi
Bild: WDR/Thomas Kost
So war der Tatort:

Kossiklos.

Denn wenngleich der Dortmunder Oberkommissar Daniel Kossik (Stefan Konarske) den schockierenden Tatort-Meilenstein Sturm mit lebensgefährlichen Verletzungen überlebt hat, kommt die Figur nach dem Ausstieg von Schauspieler Stefan Konarske nur noch in Dialogen vor: Der Ex-Freund von Nora Dalay (Aylin Tezel), die in Tollwut mehrfach mit ihrem Chef Peter Faber (Jörg Hartmann) aneinander gerät und ebenfalls mit Abwanderungsgedanken spielt, ist zum LKA in Düsseldorf gewechselt.

Dafür gibt es für Faber, Dalay und Martina Bönisch (Anna Schudt) ein Wiedersehen mit zwei anderen alten Bekannten, die allerdings wenig erfreulich ausfallen: Da ist zum einen der todgeweihte Gefängnisarzt Jonas Zander (Thomas Arnold), der früher als Rechtsmediziner für die Dortmunder Kripo tätig war (zuletzt in Hydra) und sich mit der titelgebenden Tollwut infiziert hat – einer seiner Knast-Patienten ist an eben jenem Virus gestorben, was die Ermittler überhaupt erst auf den Plan ruft.

Zum anderen sitzt im Gefängnis auch Fabers Erzfeind ein: Serienmörder und Vergewaltiger Markus Graf (Florian Bartholomäi, Taxi nach Leipzig), der die Frau und die Tochter des exzentrischen Kommissars auf dem Gewissen hat und in Auf ewig Dein hinter Gitter gebracht wurde, scheint mehr über die Hintergründe der Infektionen zu wissen und bittet Faber direkt zum Gespräch.

Anders als die anderen Knastbrüder logiert Graf in einer geräumigen Einzelzelle und widmet sich dort in aller Ruhe der Malerei, um seine Bilder anschließend per Post ins Präsidium zu schicken: Eines davon zeigt Faber gen Wolken schwebend.


BÖNISCH:
Immerhin geht er dann davon aus, dass Sie im Himmel landen und nicht in der Hölle. Mit der Meinung dürfte er ziemlich alleine dastehen.


So ganz will die Sonderbehandlung, die Fabers personifiziertes Kryptonit in der Dortmunder (bzw. Magdeburger) JVA genießt, aber nicht einleuchten: Als vergleichsweise schmächtiger Insasse ohne einflussreiche Kontakte sollte Graf hinter dem Rücken der Wächter ein leichtes Opfer für seine wenig zimperlichen Knastbrüder sein – stattdessen lassen die ihn in Ruhe und der charismatische Psychopath darf zur Freude seiner Anwältin Miriam Schott (Yvonne Yung Hee Bormann, Die chinesische Prinzessin) sein Faible für Kunst ausleben und Faber terrorisieren.

Diese Hannibal-Lecter-Anleihen wirken etwas überzeichnet, doch fällt das angesichts des hohen Unterhaltungswerts nicht allzu schwer ins Gewicht: Regisseur Dror Zahavi, der zuletzt den überzeugenden Dortmunder Tatort Kollaps und den hochspannenden Kölner Beitrag Franziska inszenierte, stellt erneut sein Händchen für authentische Knast-Krimis unter Beweis und arrangiert hinter Gittern das fesselnde Aufeinandertreffen zweier Männer, die sich hassen und gleichzeitig brauchen.

Auch im 1046. Tatort scheint der gewiefte Graf wieder bis zur verblüffenden Auflösung am längeren Hebel zu sitzen – der großartige Twist auf der Zielgeraden entschädigt locker für die kleineren Unstimmigkeiten und Oberflächlichkeiten im Drehbuch. Anders als im etwas überfrachteten Auf ewig Dein klammert Stammautor Jürgen Werner (Tanzmariechen) diesmal auch die privaten Störfeuer aus: Sieht man von Bönischs "Mitleidsfick" mit Zander ab, konzentriert sich das Geschehen auf die Ermittlungen im Knast und die gewohnt emotionalen Streitgespräche im Präsidium.

Bevor Kossiks desiginierter Nachfolger im Tatort Tod und Spiele offiziell seinen Dienst antritt und das personelle Vakuum ausfüllt, ist er hier als Undercover-Ermittler in der JVA zu sehen und muss machtlos mitansehen, wie sein Zellengenosse qualvoll ums Leben kommt: Die wilden Krampfanfälle und verzweifelten Schreie der Todesopfer könnten auch gut aus einem Horrorfilm stammen, während die Bedrohung und Überlegenheit, die Graf ausstrahlt, deutlich subtilerer Natur sind.

Trotz oder gerade deswegen entfaltet das Duell mit Faber eine große Faszination – und wir können uns sicher sein, dass der brutale Killer im Dortmunder Tatort noch einmal eine Rolle spielen wird. Hier ergibt sich eine auffällige Parallele zum Kieler Kollegen Klaus Borowski (Axel Milberg), dessen mitreißende (und bis dato noch nicht beendete) Dauerfehde mit dem stillen Gast Kai Korthals (Lars Eidinger) allerdings noch etwas mitreißender und glaubwürdiger ausfällt.

Bewertung: 8/10

2 Kommentare:

  1. Tatort selbst war wie gut.Meiner Meinung nach ist diese kleine Kommissarin Nora sau frech, hochnäsig und respektlos.

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  2. Meiner Meinung nach entschädigt der zugegeben gute Twist am Ende leider nicht für das permanente und unrealistisch übertriebene Dauergenerve von Kommissarin Dalay. In Kombination mit dem mindestens in gleichem Maße unrealistischen Lecter-Verschnitt Graf, erreichte der Tatort für mich die Unerträglichkeits-Grenze.

    Dass hier die anderen Personen nicht mehr sinnvoll und glaubwürdig interagieren können, ist nachvollziehbar und killt leider auch die ansonsten gar nicht mal so schlechte (aber zu dick aufgetragene) Story.

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