Glück allein

Folge: 1097 | 2. Juni 2019 | Sender: ORF | Regie: Catalina Molina
Bild: ARD Degeto/ORF/Hubert Mican
So war der Tatort:

Bei weitem nicht so glücklich, wie es uns der Krimititel glauben machen will – und auch um das sprichwörtlich damit einhergehende traute Heim ist es in Glück allein erwartungsgemäß nicht gut bestellt.

Denn der österreichische Spitzenpolitiker Raoul Ladurner (Cornelius Obonya, Blut) muss einleitend den Tod seiner Gattin und die lebensgefährlichen Verletzungen seiner Tochter verkraften: Ein oder mehrere Einbrecher haben die beiden während seiner Abwesenheit im Haus überfallen und dabei ein wahres Blutbad angerichtet.

Für die eilig herbeizitierte Kommissarin Julia Soraperra (Gerti Drassl, Kinderwunsch) sieht alles nach einer klassischen Home Invasion aus – die Wiener Ermittler Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und Bibi Fellner (Adele Neuhauser) wissen es allerdings besser und weisen die Tiroler Kollegin, die gut mit Ladurner bekannt ist und daher als Erste am Tatort war, gleich mal in die Schranken.

Und setzen sich dabei einmal mehr über die Anweisungen ihres Vorgesetzten Ernst Rauter (Hubert Kramar) hinweg: Der würde den schockierten Politiker auf Wunsch des Innenministers gern aus der Schusslinie halten und nimmt somit wieder die klassische Sandwich-Position ein, die in die üblichen Scharmützel im Präsidium mündet und sich im Wiener Tatort schon so häufig beobachten ließ (zuletzt in Wahre Lügen).

Nur gut, dass die streitbaren Kommissare bei den Ermittlungen wieder auf ihren eifrigen Assistenten Manfred "Fredo" Schimpf (Thomas Stipsits) zurückgreifen können: Der hatte im soliden Vorgänger noch durch Abwesenheit geglänzt und steht nun plötzlich vor den Scherben seiner Ehe – was Fellner auf Nachfrage Eisners hin allerdings nicht sonderlich zu interessieren scheint.


FELLNER:
Ich hab nie Beziehungen. Nur Krisen.


Drehbuchautor Uli Brée (Wehrlos) und Regisseurin Catalina Molina, die das erste Mal für die Krimireihe am Ruder sitzt, setzen auf die üblichen Versatzstücke der Wiener Tatort-Folgen und lassen Eisner und Fellner in gewohnt emotionaler Manier bei den Ermittlungen aneinanderrasseln.

Besonders lange in Erinnerung bleibt Glück allein dadurch nicht, doch sehenswert ist der 1097. Tatort auch aus einem anderen Grund: Stolze 20 Jahre nach Eisners Dienstantritt in Nie wieder Oper erfährt der Zuschauer erstmalig Details über seine Kindheit und den verhassten Vater, der ihn als Kind geschlagen und gedemütigt hat und dessen provokantes Verhaltensmuster der Ermittler im aufbrausenden Ladurner wiederzuerkennen glaubt.

Fellner hingegen nimmt sich diesmal zurück: Ihre überwundene Alkoholsucht wird nur am Rande thematisiert, als ihr Kollege in weiser Voraussicht ein frisch gezapftes Glas Bier außer Reichweite befördert und sie damit gar nicht erst in Versuchung bringt. Für "Fredo" Schimpfs Rückkehr findet ebenfalls ein kleines Schmankerl Platz im Drehbuch, die unbeholfenen Flirtversuche mit Kollegin Soraperra bleiben aber unerwidert – ein netter, aber zugleich harmloser Handlungsschlenker, der seinen Teil dazu beiträgt, dass der Film mit einigen Spannungslöchern zu kämpfen hat.

Ähnlich wie im letzten Stuttgarter Tatort Anne und der Tod oder im hessischen Tatort Das Monster von Kassel setzen die Filmemacher auf lange und mit reichlich Dialekt durchsetzte Dialogsequenzen, und auch sonst passiert lange Zeit wenig Überraschendes: Früh ist klar, dass in der Familie des selbsternannten Saubermanns Ladurner einiges im Argen lag – und so dreht sich bis zum großen Showdown alles um die Frage, ob seine Frau und Tochter tatsächlich die Opfer eines Eindringlings wurden, ob die ukrainische Geschäftsfrau Natalia Petrenko (Dorka Gryllus, Sturm) ihre Finger mit im Spiel hat oder ob der psychisch labile Witwer womöglich selbst für die Tat verantwortlich zeichnet.

Lange Zeit rätselhaft bleibt dabei die Rolle von Soraperra, deren Verhältnis zu Schlüsselfigur Ladurner engerer Natur ist, als sie vorgibt – wie genau die Verstrickungen aussehen, halten die Filmemacher aber erfreulicherweise bis in die Schlussminuten offen. Liegt die schockierende Antwort erst einmal auf dem Tisch, dürfte sich bei vielen Zuschauern allerdings Ratlosigkeit breitmachen: So überraschend und erschütternd die Auflösung des klassischen Whodunit auch ausfällt, so konstruiert und abstrus wirkt sie dabei. Da können Cornelius Obonya und Gerti Drassl noch so tapfer gegen die Mängel des Drehbuchs anspielen.

Bewertung: 5/10

Rezension der vorherigen Folge: Kritik zum Tatort "Die ewige Welle"

2 Kommentare:

  1. Moritz Eisner ist doch kein LKA-Ermittler, sondern BKA-Ermittler oder?

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    1. Weder noch, er ist Leiter der Sonderkommission des Innenministeriums, die in ganz Österreich agiert. Wir haben die Passage angepasst. Danke für den Hinweis!

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