Leonessa

Folge: 1123 | 8. März 2020 | Sender: SWR | Regie: Connie Walther
Bild: SWR/Jaqueline Krause-Burberg
So war der Tatort:

Zunächst schwarz-weiß, dann bunt, dann wieder schwarz-weiß – unterm Strich aber deutlich farbloser, als es diese stilistischen Spielereien vermuten lassen.

Denn nach den aufregenden und ästhetisch durchaus ausgefallenen Sonntagskrimis der vorherigen Wochen – wir denken zurück an den erwartungsgemäß auf breiter Front abgelehnten Skandaltatort Ich hab im Traum geweinet und das künstlerisch angehauchte, aber nur bedingt überzeugende fränkische Krimidrama Die Nacht gehört dir – geht in Ludwigshafen alles routiniert seinen Gang: Die Hauptkommissarinnen Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) und Johanna Stern (Lisa Bitter) werden einleitend in eine beliebte Westernkneipe gerufen, deren Wirt erschossen hinterm Tresen liegt – und anders als ihre Weimarer Kollegen Lessing (Christian Ulmen) und Dorn (Nora Tschirner) im vierzehn Monate zuvor ausgestrahlten Westernkrimi Der höllische Heinz treffen die beiden bei ihren Ermittlungen nicht auf Cowboys und Indianer, sondern auf ergraute Stammgäste und wasserstoffblonde Teenager.

Dabei arbeiten Odenthal und Stern, die bei ihren Ermittlungen wie gewohnt von Spurensicherungsleiter Peter Becker (Peter Espeloer) unterstützt werden, über weite Strecken des Films harmonisch zusammen – wäre da nur nicht diese eine Szene im Präsidium, bei der eine Vitaminbombe beinahe in Sterns hübschem Gesicht detoniert.


STERN:
Du kannst doch keinen Apfel nach mir schmeißen!

ODENTHAL:
Ich kann machen, was ich will!


Ein Rückfall in alte Zeiten, in denen der Zickenkrieg – wir denken an nervtötende Folgen wie den Tatort LU – in Ludwigshafen regelmäßig auf der Tagesordnung stand?

Zum Glück nur kurz, denn unter Regie von Connie Walther (Offene Rechnung), die nach 21 Jahren Abstinenz ihren zweiten Tatort inszeniert, bleibt diese seltsam aufgesetzte, zwischenmenschliche Spontan-Eskalation im Büro erfreulicherweise die Ausnahme.

Drehbuchautor Wolfgang Stauch (Anne und der Tod) hat einen klassischen Whodunit entworfen: Leonessa startet mit dem Leichenfund in der Kneipe, setzt sich mit den Erkenntnissen der Spurensicherung, den Befragungen der Augenzeugen und der Vernehmung der Tatverdächtigen fort und gipfelt in einer nicht sonderlich überraschenden, aber auch nicht allzu vorhersehbaren Auflösung der Täterfrage.

Lediglich drei Dinge, die zu den ungeschriebenen Gesetzen der Krimireihe zählen, werden in ihrer 1123. Ausgabe variiert: Die obligatorische späte Verfolgungsjagd gibt es gleich zu Beginn, der sonst größere Kreis der Verdächtigen reduziert sich auf die drei Teenager Samir Tahan (Mohamed Issa, Am Ende geht man nackt), Leon Grimminger (Michelangelo Fortuzzi) und Vanessa Michel (Lena Urzendowsky) – und auch auf die zweite Tatort-Leiche, die sonst meist gegen 21 Uhr gefunden wird, wartet man diesmal (fast) vergeblich. Ansonsten läuft in Ludwigshafen – und das ist angesichts von Katastrophenkrimis wie Waldlust, Babbeldasch oder Die Sonne stirbt wie ein Tier durchaus als Kompliment zu werten – alles nach Schema F.

Dabei wird so fleißig Dialekt gesprochen wie in kaum einer zweiten deutschen Tatort-Stadt: Wenngleich die Kommissarinnen Hochdeutsch reden, dürfen vor allem die Augenzeugen frei nach Schnauze "Pälzisch babble". Auch für Assistentin Edith Keller (Annalena Schmidt), in den letzten Jahren in erster Linie der Ruhepol im Präsidium, finden die Filmemacher endlich mal wieder sinnvolle Verwendung im Außendienst: Keller darf undercover in der Westernkneipe an der Apfelschorle nippen und sogar einen kleinen Teil zur Lösung des Falls beitragen.

Beim Blick auf die Figuren ergibt sich ansonsten aber ein eher durchwachsenes Bild: Zwar scheitert Stauch (anders als andere Autoren, vgl. Vergeltung oder Dinge, die noch zu tun sind) nicht daran, den Jugendlichen glaubwürdige Dialoge in den Mund zu legen, aber charakterliche Tiefe vermag er Samir und Leonessa - dem Pfälzer Teenie-Pendant zu Brangelina – kaum zu verleihen. Warum Leon und Vanessa ihren Gin Tonic am liebsten in einer Ü50-Kneipe trinken und sich über ein Online-Portal prostituieren, wird kaum hinterfragt.

Platte Stereotypen bleiben auch Samirs vorbestrafter Bruder und die sozial abgehängten Eltern der Teenager, wenngleich Karoline Eichhorn (HAL) in ihrer Rolle als abgefuckte Alkoholikerin zumindest für das beste Bild in diesem Tatort verantwortlich zeichnet.

Bewertung: 5/10

Rezension der vorherigen Folge: Kritik zum Tatort "Die Nacht gehört dir"

3 Kommentare:

  1. Besser als letzte Woche, mag daran liegen,dass ich die Kommissarinnen mag. Das Gebabbele wäre schön mit Untertiteln, aber immerhin kommen die Stammgäste der Kneipe authentisch rüber und sorgen im Wohnzimmer für Aufheiterung. Frau Dr. und die jungen Darsteller kommen gut rüber. Die Eltern von Vanessa sind hingegen schlecht gespielt und kommen ohne Dialekt nicht glaubwürdig rüber.Wenn man Milieu spielen will, sollte man vorher eine entsprechende Studie machen oder einfach das HarzerTv des Nachnittagsprogramm ansehen. In der Hoffnung auf bessere Tatorts bleibe ich weiter dabei, wenn nichts besseres Sonntags im Tv kommt

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  2. Wollte mich nur mal für die beständigen, erhellenden, sachlichen und fundierten Tatortkritiken bedanken.
    Gute Arbeit.
    Wenn man sich die geringe Zahl an Kommentaren anschaut, wird sie aber offenbar (?) nicht sonderlich geschätzt.

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    1. Herzlichen Dank für das Feedback. Die Zahl der Kommentare schwankt ja recht stark, bei "Ich hab im Traum geweinet" beispielsweise sind es rund 200. Kommt immer drauf an, wie stark der Tatort polarisiert. Was die Aufrufe der Texte angeht, liegen wir im vier- bis fünfstelligen Bereich (auch das schwankt entsprechend) und sind damit ganz zufrieden.

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