Niemals ohne mich

Folge: 1125 | 22. März 2020 | Sender: WDR | Regie: Nina Wolfrum
Bild: ;WDR/Martin Valentin Menke
So war der Tatort:

Wie 90 Minuten Scheidungskrieg – mit wütenden Eltern, leidenden Kindern und ganz vielen Problemen.

Die Kölner Hauptkommissare Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) gehen in Niemals ohne mich mal wieder dahin, wo sich gesellschaftliche Abgründe auftun: Sie ermitteln im Jugendamt, dessen Mitarbeiterin Monika Fellner (Melanie Straub, Der irre Iwan) bei unterhaltssäumigen Eltern kein Pardon kannte und die für ihre Hartnäckigkeit offenbar mit dem Leben bezahlen musste.

Unterstützt werden sie dabei von ihrem gemütlichen Kollegen Norbert Jütte (Roland Riebeling), der sich seit seinem Dienstantritt in Mitgehangen zum heimlichen Publikumsliebling in der Domstadt gemausert hat: Jütte quartiert sich im Büro von Fellners weniger gnadenloser Kollegin Ingrid Kugelmaier (Anna Böger, Mord ist die beste Medizin) ein, die ihn großzügig mit Tee und Keksen versorgt und auch sonst alles daran setzt, dass Jütte sein ohnehin schon überschaubares Arbeitstempo drosselt und bei seinen Recherchen im Jugendamt ja nicht auf Dinge stößt, die Kugelmaier in Bedrängnis bringen könnten.

Bei Ballauf und Schenk, die an der Wurstbraterei am Rheinufer diesmal ihr Frühstück statt ihr übliches Feierabend-Kölsch verzehren, stößt das naturgemäß auf wenig Gegenliebe.


BALLAUF:
Irgendwann dreh' ich dem nochmal den Hals um.

SCHENK:
Wenn Jütte dann seinen eigenen Tod ermittelt, erwischen sie dich nie.


Drehbuchautor Jürgen Werner, der in den Jahren zuvor vor allem mit seinen mutigen Geschichten zum tollen Tatort aus Dortmund für Aufsehen gesorgt hat (vgl. Hydra oder Tollwut), liefert eine vergleichsweise harmlose Kreuzung aus bitterem Sozialdrama und klassischem Sonntagskrimi ab, bei der – und das ist typisch für den Tatort aus Köln – dermaßen dick aufgetragen wird, dass für Zwischentöne kaum Platz bleibt.

Exemplarisch dafür steht der Kontrast zwischen Hartz-IV-Empfänger Rainer Hildebrandt (Peter Schneider, Auge um Auge), der seine zwei Kinder in einer kleinen Sozialwohnung bespaßt, während seine Frau Katja (Katrin Röver) in der mit Pool und großem Garten ausgestatteten Villa seines reichen Ex-Chefs lebt und ihm die Sprösslinge streitig macht. Außerdem treffen Ballauf und Schenk den aufbrausenden Dachdecker Stefan Krömer (Gerdy Zint, Hüter der Schwelle), der schwarz ganz ordentlich hinzuverdient und seiner gestressten Ex-Freundin Julia Beck (Karen Dahmen) die Unterhaltszahlungen verweigert, obwohl die zum Leidwesen der gemeinsamen Tochter kaum weiß, wovon sie die Miete bezahlen soll. Und da ist noch der undurchsichtige Jugendamtsleiter Markus Breitenbach (Christian Erdmann, Durchgedreht), der mit seiner Frau Evelyn (Henny Reents, Auge um Auge) drei Kinder groß zieht.

Niemals ohne mich fühlt sich oft nicht wie ein klassischer Krimi, sondern wie ein bedrückender Episodenfilm über zerrüttete Familien an – ein Schicksal, das der 1125. Tatort mit Familien oder Trautes Heim teilt, in denen sich der WDR in Köln ganz ähnliche Themen vorknöpfte. Wir sind live dabei, wenn sich Kinder in die Hose machen, weil sie den Streit der Eltern nicht aushalten – die Kommissare sind es oft nicht.

So emotional sich das stellenweise gestaltet, so wenig reißt der Film manchmal mit, was auch am wechselnden Erzählton liegt: Wenn Jütte im Präsidium zum x-ten Mal mit der Statik seiner selbstinstallierten Lichtdusche kämpft und einen Augenblick später ein verzweifelter Vater seine eigene Tochter entführt, bleiben dem Zuschauer zwischen Lachen und Bangen kaum 30 Sekunden Zeit. Das nimmt dem Drama die Wucht. Dennoch ist Niemals ohne mich eine der reizvolleren Tatort-Folgen aus Köln, weil wir auf Kosten der Spannung viel über die Missstände im Alltag deutscher Jugendämter erfahren und sich die typischen In-was-für-einer-Welt-leben-wir-eigentlich-Dialoge der Kommissare in erträglichen Grenzen halten.

Und schließlich gibt es da noch eine Szene, die zum Witzigsten zählt, was wir in den letzten Jahren von Ballauf und Schenk zu sehen bekamen: Die altgedienten Kommissare schmollen eine gefühlte Ewigkeit stumm im zum Dienstwagen umfunktionierten Oldtimer nebeneinander her, während im Autoradio Kerstin Otts Gassenhauer Die immer lacht dudelt – das ist zwar nicht sonderlich subtil arrangiert, aber ein Bild für die Götter.

Auch die bitterböse Schlusspointe bekommt man in der Krimireihe in dieser Konsequenz selten zu sehen – ein spätes, wenn auch nicht mehr sonderlich wirkungsvolles Überraschungsmoment.

Bewertung: 6/10

Rezension der vorherigen Folge: Kritik zum Tatort "Das perfekte Verbrechen"

3 Kommentare:

  1. Da soll ein Jugendamt dargestellt sein? Oh jeh, grottenschlechte Recherche, einfach nur zum Fremdschämen!

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  2. Ballauf: "Irgendwann dreh' ich dem nochmal den Hals um."

    Der Ballauf Glaubt das jeden sein arbeits- Ethos Folge tragen muss

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  3. Solider Tatort zum Durchatmen nach den letzten !Typisch fürs Schauspiel überzogen drastische Darstellung von Alleinerziehenden. Die Kommissare liefern die gewohnte Leistung ab. Jütte spielt seine Rolle wieder hervorragend! Insgesamt sollte aber für alle Geschichten der Tatort-Reihe besser recherchiert werden. Da wird sich eindeutig zu wenig Mühe mitgemacht ! Trotzdem danke, für eine gute Unterhaltung an diesem Sonntag Abend.

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