Der Welten Lohn

Folge: 1142 | 1. November 2020 | Sender: SWR | Regie: Gerd Schneider
Bild: SWR/Benoît Linder
So war der Tatort:

Mittelmäßig.

Denn wie formuliert es Hauptkommissar Sebastian Bootz (Felix Klare) so schön, als er sich nach einer knappen Stunde gemeinsam mit seinem Kollegen Thorsten Lannert (Richy Müller) für die vermeintlich mangelhaften Ermittlungserfolge rechtfertigen und einen Kurzvortrag über die Gaußsche Normalverteilung anhören muss:

"Wir sind ja nur Mittelmaß. Wobei – wenn man uns etwas Zeit gibt?"

Zeit für den Kriminalfall bleibt angesichts fehlender privater Nebenschauplätze in diesem Stuttgarter Tatort genug, und Mittelmaß war er in den Jahren zuvor selten: Tolle Folgen wie Stau oder Der Mann, der lügt begeisterten Publikum und Feuilleton gleichermaßen und mit dem eigenwilligen Mysterykrimi Hüter der Schwelle war 2019 auch mal ein Ausrutscher nach unten dabei. Der Welten Lohn ist nun aber genau das: solides Mittelmaß im besten Sinne.

Das ist zunächst mal die Ausgangslage, die wie ein klassischer Whodunit anmutet: Lannert und Bootz müssen den Mord an Diana Geddert (Anni Nagel) aufklären – die Personalchefin eines mittelständischen Automobilzulieferers wird tot in einem Waldstück gefunden.

Doch schon beim obligatorischen Besuch am Arbeitsplatz der Toten offenbart sich, dass Drehbuchautor Boris Dennulat (Wer Wind erntet, sät Sturm) etwas Anderes mit dem Publikum vorhat: Firmenchef Joachim Bässler (Stephan Schad, Wir kriegen euch alle) lässt die Kommissare abblitzen, denn er hat momentan ganz andere Sorgen. Sein ehemaliger Mitarbeiter Oliver Manlik (Barnaby Metschurat, Der hundertste Affe), der nach einem Korruptionsskandal als Bauernopfer für die Firma im Knast gesessen hat, fordert Millionen von ihm.

Fortan gilt es für die Kommissare, nicht nur den Todesfall Geddert aufzuklären, sondern auch, einen weiteren Toten zu verhindern: Manlik wird zur tickenden Zeitbombe und Bässler setzt alle Hebel in Bewegung, um sich diesen vom Leib zu halten. Dass Lannert und Bootz ohne Staatsanwältin Emilia Alvarez (Carolina Vera) auskommen müssen, die in Du allein zum letzten Mal im Stuttgarter Tatort zu sehen war, macht die Sache nicht leichter.


BOOTZ:
Mit Frau Alvarez wäre sowas okay gewesen.

LANNERT:
Das glaubst auch nur du. Jetzt, als Oberstaatsanwältin, wäre es wahrscheinlich ein Oberanschiss.


Regisseur Gerd Schneider hat einen stellenweise etwa theatralischen, aber kurzweiligen und temporeichen Tatort inszeniert, der sich aus seinem Krimikorsett schnell befreit. Gedderts privates Umfeld untersuchen Lannert und Bootz erst gar nicht – fast so, als würden sie genau wissen, dass das Duell zwischen dem verzweifelten Manlik und dem arroganten Bässler der spannendere Handlungsstrang und die Antwort auf die Täterfrage nur hier zu finden ist.

Der klassische Krimi wird zum emotionalen Rachethriller, bei dem beide Seiten keine Gefangenen machen – und die Sympathien sind klar verteilt. Während der Ex-Knacki mit kleiner Wohnung um seinen Job, seine Frau Caroline (Isabelle Barth, Wofür es sich zu leben lohnt) und seinen Sohn Justus (Elias Reinhard-Sanchez) gebracht wurde, nippt der überhebliche Firmenchef in seiner Villa am Rotwein und lässt seinen loyalen Sicherheitschef Neumann (Andreas Klauem, Eine Frage des Gewissens) die Drecksarbeit erledigen. Alles etwas überzeichnet, aber überzeugend gespielt – besonders von Barnaby Metschurat.

Zur Identifikationsfigur taugt sein Manlik aber nicht: Zu aufbrausend ist sein Auftreten, zu rabiat der Umgang mit dem neuen Lover seiner Frau – und wer nicht einmal vor Autobomben zurückschreckt, der hat es beim Publikum schwer. Stattdessen halten wir uns an die Kommissare: Während Lannert bei den Ermittlungen oft gleichgültig wirkt, übernimmt Bootz den energischen Part und fühlt sich durch den einleitend erwähnten Vorwurf Bässlers, als Polizist nur mittelmäßige Arbeit zu machen, an seiner Ehre gepackt.

Beim Blick aufs Drehbuch wirkt aber vieles durchgeplant und ebenfalls mittelmäßig: Eine künstlich zurückgehaltene Erkenntnis von Rechtsmediziner Dr. Vogt (Jürgen Hartmann) kommt der Dramaturgie sehr gelegen und auch Verfolgungsjagden durch Parkhäuser gab es im Tatort schon viele Dutzend Male. Und obwohl die Handlungsdichte für 90 Krimi-Minuten ohnehin recht dünn ist, wird die Auflösung des Todesfalls in der Schlussminute hastig nachgereicht – stimmt, da war ja was, was die Ermittler einleitend erst auf den Plan gerufen hatte.

So bleibt am Ende der 1142. Tatort-Folge die Gewissheit, dass der in den vergangenen Jahren so starke Stuttgarter Tatort auch Mittelmaß abliefern kann – und dass es neben dem schwäbelnden Dr. Vogt mit KTU-Kollegin Miriam Mätzler (Diana Marie Müller) nun noch eine zweite Nebenfigur gibt, die im Krimi aus dem Ländle Dialekt schwätzt.

Bewertung: 5/10

Rezension der vorherigen Folge: Kritik zum Tatort "Krank"

4 Kommentare:

  1. Ich fande den Tatort heute den 1. Nov. 2020 gut weil es einfach mein Geschmack ist!

    AntwortenLöschen
  2. ....gestelzt und unglaubwürdig rasche Ermittlungsfolge. Dazu noch schlechte schauspielerische Leistung...
    Mal wieder geärgert über die Zeitverschwendung...

    AntwortenLöschen
  3. Es gibt ihn also doch noch :
    Ein sehr sehenswerter Tatort !
    Gute schauspielerische Leistung !

    AntwortenLöschen
  4. Wie die Kritik perfekt auf den Punkt bringt, war dieser Krimi sehr mittelmäßig. Kann man sich anschauen und dann schnell wieder vergessen. Der Tatort aus Stuttgart kann das besser!

    AntwortenLöschen