Unter Wölfen

Folge: 1150 | 26. Dezember 2020 | Sender: SWR | Regie: Tom Bohn
Bild: SWR/Jacqueline Krause-Burberg

So war der Tatort:

Kriminell – und das sogar im Hinblick auf die Komparsen.

Für Schlagzeilen sorgte Unter Wölfen nämlich schon während der Dreharbeiten: Unter die Kleindarsteller, die im Film muskulöse Türsteher – pardon: Doormen – spielen, hatte sich glatt ein gesuchter Verbrecher gemischt. Und zwar ein italienischer Kampfsportler, der seit 2014 wegen zahlreicher Straftaten von den Carabinieri gesucht wurde. Wie passend.

Ansonsten geht es im Ludwigshafen-Tatort von 2020 aber weniger italienisch zu als früher: Mario Kopper (Andreas Hoppe) hat bekanntlich den Dienst quittiert und Hauptkommissarin Lena Odenthal (Ulrike Folkerts), einst Mitbewohnerin des Pasta- und Rotwein-Fans, bleibt nach Feierabend seitdem nur noch ihr Kater Mikesch, der ihr seit Jahrzehnten treu zur Seite steht. Und zumindest in dieser Hinsicht ist Odenthals 72. Fall, der mit trashigen Eröffnungstiteln in Need-for-Speed-Ästhetik startet, ein denkwürdiger.

In der 1150. Ausgabe der Krimireihe heißt es für die dienstälteste Kommissarin nämlich Abschied nehmen: Ihr Kater Mikesch wird brutal massakriert – und auch Odenthal gerät ins Visier organisierter Verbrecher, als sie mit Kollegin Johanna Stern (Lisa Bitter) nach dem vermeintlichen Raubmord am Chef einer Security-Firma gegen dessen Konkurrenten ermittelt.

Gemeinsam mit Stefano Mazza (Roberto Guerra, Zeit der Frösche) vom Mannheimer Rauschgiftdezernat überwachen Odenthal und Stern den Drogenhandel vor Nachtclubs, werden von Kampfhunden angekläfft und befragen finstere Türsteher, die kaum mehr als den Mindestlohn bekommen – selbst wenn sie, so wie der redselige Michael Lasarev (Felix Strobel), nebenher studieren und sich auch einen Nebenjob suchen könnten, der bessere Noten im Abschlusszeugnis erfordert.


STERN:
9,50 Euro? Da kriegt man ja beim Pflegedienst mehr.

LASAREV:
Wer geht schon gerne zum Pflegedienst?


Der Auftritt von Lasarev, dem man seine angeblichen Qualitäten an der Tür für keine Sekunde abkauft, steht exemplarisch für das Grunddilemma dieses missglückten Krimis: Unter all den Schlägertypen wirkt der schmal gebaute BWL-Student wie eine Witzfigur – und unfreiwillig komisch sind auch einige Holzhammer-Charaktere und so manche hanebüchene Phase der Geschichte, die Drehbuchautor Tom Bohn (Maleficius) selbst inszeniert.

Da ist zum Beispiel der fast karikaturesk angelegte Oberstaatsanwalt Marquardt (Max Tidof), der mit Sommeranzug und getönter Brille wie der Pascha von Ludwigshafen durchs Polizeirevier spaziert, um dort nach dem Rechten zu sehen ("Wo ist denn meine Mordkommission?"). Nach der Mittagspausen-Massage geht's direkt zum Vorsprechen beim rheinland-pfälzischen Innenminister.

Da ist eben jener egozentrische Politiker Dr. Lenglich (Nils Düwell, Liebeshunger), der mit Blick auf die Landtagswahlen allein die drohende schlechte Presse im Kopf hat und seine Volontärin (Anne-Marie Lux, Preis des Lebens) entsprechend einweist – natürlich, der Mann muss Dreck am Stecken haben! Ob es im Tatort wohl je einen sympathischen Politiker geben wird?

Da ist die abgehalfterte Bar-Besitzerin Daphne Kerala (Annika Blendl, Wer Wind erntet, sät Sturm), die ihre anstrengende Tochter Tanja (Lucy Bohn, Tochter des Regisseurs) im Bahnhofsviertel Tische wischen lässt, ehe man sie krankenhausreif prügelt: Wie gut, dass bei Odenthal eine Couch für das Mädchen frei ist, denn Dienstvorschriften bricht die Kommissarin ohnehin im Minutentakt. Ein Haftbefehl dient der Kleinen als Schmierzettel.

Und da ist, last but not least, der durchaus charismatische Bösewicht des Films, der in einem bewachten Eisenbahnwaggon residiert – solche Schauplätze mögen zu Western-Schurken und Hollywood-Gangstern passen, wirken bei einem Tatort-Ganoven aber ziemlich drüber. Auch Gerhard Arentzen (Thure Riefenstein) feuert als Klischee auf zwei Beinen mit Plattitüden aus allen Rohren, während Odenthal seine namenlosen Wachleute über den Haufen ballert. 

In bester Nick-Tschiller-Manier berserkert sie sich in Zeitlupe durchs kitschige Finale – doch wie bisweilen in der Elbmetropole wirkt auch am Rhein vieles aufgesetzt, bemüht und künstlich überhöht. Da sitzen aber auch noch Figurenrelikte wie Edith Keller (Annalena Schmidt) im Präsidium, obwohl sie ihre besten Tage längst hinter sich haben. Mit realer Polizeiarbeit hat der temporeiche Krimi wenig zu tun, in seiner Grundausrichtung ist er aber bierernst gemeint – anders als in Weimar, Münster oder Wiesbaden.

Zwei tolle Szenen gibt es aber in Unter Wölfen aber dann doch: Marquardt verweigert dem Minister das "Du" und überrascht auf der Zielgeraden mit Rückgrat – seltene Lichtblicke im nicht nur letzten, sondern auch schwächsten Krimi des starken Tatort-Jahres 2020.
Bewertung: 3/10

Rezension der vorherigen Folge: Kritik zum Tatort "Unten"

6 Kommentare:

  1. Das war ein super Tatort mit Lena Odenthal!

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  2. Die Kneipe war doch schon im letzten Fall mit Kopper zu sehen, oder? Mir kam die geflieste Theke so bekannt vor.

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  3. ein guter tatort mit Lena Odenthal muss noch erfunden werden

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  4. Alles hat seine Zeit. Im'89 als Bereicherung gestartet, heute als Sesselkleber(in) wahrgenommen. Folkerts Zeit als Tatort Kommissarin ist abgelaufen. Die Handlungen, die Dialoge, die Ausstrahlung, vorhersehbarer als eine Bachelor-Episode..

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  5. So schlecht fand ich diesen Tatort gar nicht. Wirklich gut war er freilich auch nicht, mit einigen lächerlichen Requisiten und Schauplätzen und vor allem einer gekünstelt übertrieben lässigen Kommissarin Stern. Warum Lena Odenthal das Kind zu sich nach Hause nimmt und es dann auch noch alleine lässt (folgenlos!!), will irgendwie nicht ganz einleuchten. Zudem bleibt die Kritik an der dünnen Personaldecke der Polizei recht vage. Und doch: Die Story ist recht interessant und gleich mehrere Szenen spannend arrangiert.
    Insgesamt zwar enttäuschend, aber da hat man schon deutlich Schlechteres gesehen: Von mir also 4/10.

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