Blind Date

Folge: 1175 | 24. Oktober 2021 | Sender: SWR | Regie: Ute Wieland
Bild: SWR/Bettina Müller
So war der Tatort:

Geruchs- und geräuschfixiert.

Denn im dritten Tatort mit Hauptkommissarin Ellen Berlinger (Heike Makatsch), die bei ihren Ermittlungen in Mainz zum zweiten Mal von ihrem Kollegen Martin Rascher (Sebastian Blomberg) unterstützt wird, dreht sich fast alles um eine fast vollständig erblindete Frau – und die Filmemacher lassen uns nicht nur ausführlich an ihrem Alltag und an ihrer Gefühlswelt, sondern auch an ihren Sinneswahrnehmungen teilhaben.

Schon der Einstieg in den Film gestaltet sich hochinteressant: Nach den originell variierten Opening Credits in Blindenschrift werden wir Zeuge, wie eine Tankstelle überfallen wird, hören aufgebrachte Täter mit Adrenalin in der Blutbahn und einen Schuss. Aber sehen tun wir nichts, denn unter Regie von Ute Wieland (2. Tatort nach Fettkiller von 2007) blicken wir durch die Augen von Rosa Münch (Henriette Nagel): Die vereinsamte Studentin hat nur noch eine Sehkraft von einem Prozent und der Bildschirm bleibt fast vollständig schwarz. Wir hören zu und leiden mit der einzigen Tatzeugin mit, die von den zwei Raubmördern – anders als der Tankwart – am Leben gelassen wird und sich sogar an deren Geruch erinnern kann.

In den Minuten danach entspinnt Drehbuchautor Wolfgang Stauch (Der Tod der Anderen) ein sehr reizvolles und vielversprechendes Szenario: Berlinger und Rascher sind auf Münchs Eindrücke angewiesen, können ihr mit herkömmlichen Polizeimethoden aber kaum Unterstützung leisten – ein Phantombild ist mir ihr nicht zu erstellen und die Verbrecherkartei der Kripo gibt auf der Tonspur und für die Nase nichts her.


BERLINGER:
Würden Sie die Stimmen wiedererkennen?

MÜNCH:
Können Sie mir welche vorspielen? Haben Sie Stimmen von Tankstellenräubern bei der Polizei?

BERLINGER:
Nein, wir haben nur Fotos.

MÜNCH:
Das dachte ich mir.


Doch was geschieht dann? So stark, wie die 1175. Tatort-Folge beginnt, so stark lässt sie schnell wieder nach – und der mit erfreulich vielen unverbrauchten Krimi-Gesichtern besetzte Film stürzt in ein Spannungsloch, aus dem er sich bis zum Finale nur noch selten befreit. Das hat mehrere Gründe – zuallererst den, dass das Privatleben der alleinerziehenden Berlinger den Kriminalfall kolossal ausbremst und in einer Ausführlichkeit illustriert wird, die in der Krimireihe ihresgleichen sucht. 

Schon am ersten Abend sitzt David Murphy (Alan Burgon), der aus Liverpool stammende Vater ihrer kleinen Tochter Greta (Elin Knipchild), in Berlingers Wohnzimmer – es folgen zähe, mit deutschen Untertiteln versehene Gute-Mutter-schlechte-Mutter-Debatten, die irgendwann darin münden, dass Murphy seine Tochter mit nach England nehmen will. Auch weil die bisherigen Tatort-Begegnungen mit Ellen Berlinger von 2016 (Fünf Minuten Himmel) und 2018 (Zeit der Frösche) datieren, lassen uns diese Gespräche aber kalt, weil uns die Kommissarin als Figur (noch) erschreckend egal ist – stattdessen werden Erinnerungen an die vielen zähen Tatort-Momente mit Charlotte Lindholm und ihrem Sohn David in Hannover wach.

Dann ist da die Täterfrage, die in Blind Date sehr früh beantwortet wird: Bei den gesuchten Raubmördern handelt es sich um die exzentrischen, in einer offenen Beziehung lebenden Rich Kids Sophie Hansen (Anica Happich) und Moritz Boldt (Jan Bülow), die die Tankstelle aus Langeweile und auf der Suche nach Nervenkitzel überfallen haben – und die als verwöhnte Bonny-und-Clyde-Abwandlung stellenweise so überzeichnet agieren, dass sich die Balken biegen. 

Fiebrige Howcatchem-Momente (wie etwa eine schöne Parallelmontage beim Verhör) lassen sich an einer Hand abzählen, stattdessen verheddern sich die Filmemacher nach der ersten Begegnung von Täterin und Augenzeugin – eine erotisch angehauchte, fast magische Szene – in einer bisexuellen, mit anstrengender Vulgärsprache und nackter Haut gespickten Liebesgeschichte, die zwar erfolgreich mit den dramaturgischen Konventionen der Krimireihe bricht und uns viel über Rosas Sehnsüchte verrät, aber nie den Thrill und die Faszination entwickelt, wie es etwa die elektrisierende Begegnung von Kult-Killer Kai Korthals (Lars Eidinger) und seiner ebenfalls blinden Verehrerin im überragenden Vor-Vorgänger Borowski und der gute Mensch tat.

Last but not least leidet der Tatort auch darunter, dass es oft seltsam aufgesetzt zugeht und es keine einzige wirklich sympathische Figur gibt: Berlingers zugeknöpfter Kollege Rascher, der im Gegensatz zu ihr praktisch nichts von seinem Feierabend preisgibt, gibt den unangenehmen Zeitgenossen und bezeichnet sich selbst als Arschloch – wir finden wenig Gründe zu widersprechen. Auch Rosas Eltern Klaus (Rainer Furch, Böser Boden) und Maria Münch (Andrea Quirbach) dürfen keine Sympathiepunkte sammeln – ganz im Gegenteil. Rosa hingegen verspielt die anfängliche Gunst des Publikums nach einer Kurzschlussreaktion gegenüber ihrem Vater.

So verpufft das emotionale, seltsam hölzern arrangierte Finale, das noch einmal den Bogen zur so gelungenen Eröffnungssequenz in der Tankstelle schlägt, ohne die erhoffte Nachwirkung – und Ellen Berlinger (die Haftbefehl übrigens Bushido vorzieht) ist auch nach ihrem dritten Tatort noch immer nicht ganz in der Krimireihe angekommen.

Bewertung: 4/10

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📝 So war der Vorgänger: Kritik zum Dresdner Tatort "Unsichtbar"

32 Kommentare:

  1. ����...langweiligster Tatort ever...��

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  2. Schlechtester Tatort aller Zeiten. Nervige Charaktere, alle Cliches bedient und was sollte bitte diese Nebenstory in der Sie ihre Tochter einfach weggibt??

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    1. Ja,auch meine Meinung. Nie wieder werde ich mir einen solchen Mist anschauen. Die Krimis im ZDF sind viel besser.

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  3. Fürchterlich schlecht, letzter Tatort für mich.

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  4. Kann mich nicht erinnern, wann ich zuletzt einen vergleichbar schlechten Tatort gesehen habe.
    Von Fehlern, wie BMW-Streifenwagen in Mainz, über völlig unrealistische Ortssprünge, die wenig authentische bzw. nachempfindbare Darstellung von sozialen Beziehungen und Entwicklungen, bis hin zu einer dahinplätschernden Handlung, die jegliche Form von Spannung vermissen lässt, ein erbärmlich langweiliges Trauerspiel. Völlig enttäuschende Zeitverschwendung. Bitte nicht mehr davon!

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  5. ...und die Kommissarin hat natürlich immer 250,- in bar dabei, falls sie dienstlich mal fix shoppen gehen muss��

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  6. Schlechtester Tatort seit langem !!!
    Zähfließend und mächtig langweilig !
    Schade um Heike Makatsch !Mag sie eigentlich.....
    Schwer enttäuscht! Umschalten wäre klüger gewesen.

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  7. Habe mir den leider viel zu lange angeschaut,kompletter Bullshit

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  8. Ein richtig schlechtes Drehbuch: wenig spannend, effektheischend, psychologisch und moralisch unterirdisch! So ein Tatort verdirbt den Geschmack und die Lust auf weitere.

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  9. Ein richtig schlechtes Drehbuch: wenig spannend, effektheischend, moralisch und psychologisch unterirdisch. Schade um die guten Schauspieler.
    So ein Tatort verdirbt den Geschmack und Lust auf weitere Folgen!

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  10. Tatort... nicht mehr dass, was er einmal war!
    Es gibt kaum noch gute Tatort-Folgen.
    Nur noch alles düster und asozial. Keine Spannung mehr!!! Es sind nur noch selten tolle Charakteren oder Fälle zu sehen. Die Fälle sind nur noch sozialkritisch und haben keinen Pepp mehr. Von einem "Krimi" sind die heutigen Tatort-Folgen weit entfernt. Früher waren die Tatort-Folgen spannend und unkompliziert, intelligent und mit coolen Kommissaren, es gab interessante Fälle und tolle Orte zu sehen. Die Drehbücher zu den Tatort-Folgen sind mir mittlerweile zu intellektuell geworden, da komme ich nicht mehr mit. Ich werde wohl keinen Tatort mehr schauen.

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  11. Ein richtig schlechtes Drehbuch: wenig spannend, effektheischend, psychologisch und moralisch unterirdisch. So ein Film verdirbt den Geschmack und die Lust auf weitere Tatorte.
    Schade um die guten Schauspieler.
    Für mich schade um die Zeit.

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  12. Original-Protokoll aus der Sitzung der Drehbuch-Autoren zu dieser Folge im Wortlaut:
    "Ok....also den Rich-Kids-Handlungsstrang und den privaten Teil unserer Kommissarin hätten wir...macht aber nur ca. 85 Minuten. Wir brauchen aber noch 5. Hat jemand ne Idee?"
    "Lass' uns doch die Puffgeschichte noch mit reinnehmen, die ich vorgeschlagen hatte."
    "Jein, mehr nackte Haut ist immer gut und die explizite Lesbenszene reicht natürlich für die heutige Zeit nicht mehr, aber das wird dann zu lang."
    "Hmmm....dann packen wir eben nur die halbe Puffgeschichte rein. Lassen die Gute einmal schnell in den Puff gehen, aber warum wird schon niemanden interessieren."
    "Klasse Idee! Echt großes Kino.....wobei...fehlen dann immernoch 30s."
    "Ach, nich schlimm....muss die Dame halt noch 30 Sekunden auf der Joga-Matte hampeln, dann passt das wieder."

    Meine Fresse....dass so ein Drehbuch durchgeht, unfassbar. Würde ich ein Telefonbuch und eine Bibel in einen Aktenshredder schmeißen und danach die Schnipsel im Crackrausch zufällig wieder zusammensetzen, käme 100% eine bessere/schlüssigere Geschichte dabei heraus.
    Und das obwohl ich den Auftakt, genau wie sie schrieben, Herr Daniels, als für Tatort-Verhältnisse "reizvoll und vielversprechend" empfand, v.a. da Blinde im dt. Fernsehen viel zu oft nur als unfähig dargestellt werden. Also beobachtete ich freudig, wie, im Zuge Ihrer Zeugenaussage, die sensorische Wahrnehmung eines blinden Menschen einmal positiv porträtiert wurde.....um dann umso ernüchterter realisieren zu müssen, dass Blinde laut Autor doch so hoffnungslos verlorene Menschen sein müssen, dass sie aus Ermangelung jeglichen menschlichen Kontaktes sogar nicht davor zurückschrecken mit Mördern anzubandeln.

    Was für ein absolut stümperhaftes Drehbuch! 6. Setzen.

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  13. Super Tatort, spannend und aufregend zugleich.

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  14. So einen schlechten Tatort gab's noch nie!

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  15. Bis auf dunkel pigmentierte Menschen war alles dabei. Die Regisseure sollten sich mal alte Filme anschauen. Vielleicht ist das hilfreich für das Verständnis wie ein Krimi eigentlich sein sollte. Dieses soziale rumerziehen ist ja furchtbar. Arme Schauspieler die dank Corona jede Rolle annehmen müssen!!

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  16. Geld verdirbt den Charakter ( verwöhnte und gelangweilte Jugendliche aus gutem Hause überfallen Tankstelle und töten ).
    Aber miserable Tatortkommissare verderben den Tatort ! Einfach nur gruselig !
    Und welche Mutter gibt kampflos ihr Kind weg? Das ist noch unglaubwürdiger!
    Der ganze Tatort war einfach nur schlecht.

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  17. Unterirdisch schlecht, man kann einfach nicht jede Schauspielerin zur Komisarin machen, unmögliches Drehbuch und mangelhafte Schauspielerei. Nie wieder Tatort im Ersten.

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  18. Um was ging es denn eigentlich?
    Um den Überfall der Tankstelle oder das Kind der Kommissarin?
    Läuft der Tatort in Zukunft weiterhin auf deutsch, oder auf englisch mit Untertitel.
    Einer der schlechtesten Tatort aller Zeiten

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  19. Erst hatte ich Bedenken ob ich mir diesen Tatort anschauen soll. Im Nachhinein eine sehr gute Entscheidung einzuschalten, fand den Tatort super und spannend bis zum Schluss!

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  20. Den negativen Kommentaren muss ich mich anschließen. Total schwache Story: warum müssen private Probleme der Ermittler so ausgewälzt werden?

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  21. Ich frage mich oft, aber nach diesem Tatort besonders, halten die Filmemacher und /oder Programm-Entscheider in der Rundfunkanstalt die Zuschauer für so dumm und primitiv, oder sind sie es selber?

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  22. Ein entsetzlich schlechter Tatort. Langatmig und langweilig. Gibt auch ein sehr schlechtes Bild von berufstätigen Müttern wieder.

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  23. Total realitätsfremd. Total überzeichnet. Der Mainzer Tatort ist für mich tot(al).

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  24. Schlecht schlecht und noch einmal schlecht. Was soll das mit dem idiotischen Englischkurs?

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  25. Furchtbar dieser tatort... Da versucht man viel Handlung in 90 Minuten zu quetschen... Euer Ernst? Am schlimmsten für mich die Szene mit der Greta... Einen Tag hat sie diesen Mann gesehen... Sagt schon Papa zu ihm und reist ohne weiteres mit nach England... Dann die Szene mit dem parfüm... Realistischer wäre mit Karte zu zahlen... Wobei ich mir ja fast nicht vorstellen kann das man so ein teures parfüm nicht vorher eben "proberiechen" kann... Egal... Alles total vermurkst... Beim nächsten Mal klappt es vielleicht besser

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  26. Seit Jahren keinen Tatort mehr gesehen und jetzt weiß ich auch dass das am letzten Sonntag für viele weitere Jahre reichen wird. Eine unrealistischere Story kann man sich kaum vorstellen. Nach den ersten 20 Minuten dachte ich, da könnte noch was draus werden und bisschen psychologisch verkorkste Typen (m/w/d) bringen ha durchaus Spannung (siehe "Das Schweigen der Lämmer"). Aber dann wurde es immer abgedrehter und einfach unrealistisch und unglaubwürdig. Erstaunlich dass für so ein Drehbuch Geld frei gegeben wird. Öffentliche halt.

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  27. Das Problem ist doch nicht Heike Makatsch, sondern die Story und Kommissaren die eine Müllhalde an persönlichen Problemen herumtragen.

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  28. Soo grottenschlecht, nie mehr ein Tatort aus Mainz. Die Makard ist eine Fehlbesetzung als Komissarin, alle 3 Folgen waren schlecht und diese langweiligen Psychoprobleme der Figur, bitte um Gnade ...

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