Dreams

Folge: 1177 | 7. November 2021 | Sender: BR | Regie: Boris Kunz
Bild: BR/NEUESUPER GmbH/Hendrik Heiden
So war der Tatort:

Zum Einschlafen – aber keineswegs in Bezug auf den Unterhaltungswert.

Denn während der Münchner Hauptkommissar Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) – so wie einige Monate zuvor seine Wiener Kollegin Bibi Fellner im grandiosen Tatort Die Amme – mit hartnäckigen Schlafstörungen kämpft, widmen sich die Drehbuchautoren Moritz Binder und Johanna Thalmann (Luna frisst oder stirbt) einem erfreulich unverbrauchten Thema: Dreams erzählt vom luziden Träumen, auch Klarträumen genannt, das sich gezielt zur eigenen Leistungssteigerung einsetzen lässt und für Träumende ganz schön verwirrend sein kann.

So ergeht es auch der hochtalentierten Geigerin Marina Eeden (Jara Bihler), die völlig aufgelöst auf dem Präsidium erscheint und dort von Leitmayrs Kollegen Ivo Batic (Miroslav Nemec) in Empfang genommen wird: Marina ist sich unsicher, ob sie ihre Freundin und Orchesterkollegin Lucy Castaneda (Dorothee Neff) auf dem Dach des Kulturzentrums Gasteig erstochen hat oder ob das Ganze nur ein Klartraum war – und es liegt an den Kommissaren, die Wahrheit herauszufinden.

Batic und Leitmayr, die ihre Premiere 1991 im (ebenfalls englisch betitelten) Tatort Animals gaben und in dieser Folge ihr 30-jähriges Dienstjubiläum feiern, werden bei den Ermittlungen von ihrem jungen Kollegen Kalli Hammermann (Ferdinand Hofer) und dem gemütlichen Richy Semmler (Stefan Betz) unterstützt – eine heitere, oft mit dem Generationenunterschied spielende Kombination, die einmal mehr prächtig funktioniert und der das Formelhafte durch die hohe Authentizität fast vollständig abgeht.

Die Dialoge sitzen, die Chemie stimmt wie 2021 in kaum einem zweiten Team der Krimireihe und den subtilen, oft selbstironischen Witz, den die Filmemacher einstreuen, erreichen in dieser Eleganz allenfalls die Tatort-Kollegen aus Wien. Auch mit Blick auf die sauber platzierten Running Gags um die Belastung eines Formel-1-Fahrers, ein Easter Egg in Form einer BVB-Tasse und das hohe Alter der bayrischen Kommissare, deren Privatleben zugunsten der Kriminalhandlung fast vollständig ausgeblendet wird, ist Dreams ein einziges Fest.


BATIC:
Wie lang halt ich's jetzt mit dir aus?

LEITMAYR:
30 Jahre.

BATIC:
30 Jahre. Da kann ich mir ja gratulieren.

LEITMAYR:
Dito.


Der Weg der zwei Tatort-Ermittler mit den meisten Einsätzen führt nicht nur in die Katakomben des Gasteigs, ins futuristische Schlaflabor der konsequent duzenden Dr. Deah (Katrin Röver, Niemals ohne mich) und in eine Turnhalle, sondern auch in die Wohnung des wie vom Erdboden verschluckten Opfers – und schon zu diesem frühen Zeitpunkt des Films zeigt sich, dass weniger manchmal auch mehr sein kann.

Musikalisch begleitet wird der 1176. Tatort nämlich vom Münchner Rundfunkorchester, dessen Ensemble viele Statisten stellt – und dadurch fühlt sich der Krimi oft wie ein Konzert an. Das funktioniert immer dann, wenn die Filmemacher die Spannungsschraube anziehen, ganz hervorragend – bei einer simplen Durchsuchung eines Wohnzimmers hingegen weniger gut. In solchen Routinemomenten erdrücken die theatralischen Orchesterklänge die Handlung förmlich – ein kleiner Schönheitsfehler in einem ansonsten stimmungsvoll vertonten, reizvoll arrangierten und atmosphärisch dichten Krimi.

Sieht anfangs noch alles so aus, als stellte sich allein die Frage, wo die Leiche geblieben ist, erweitern die Filmemacher peu à peu das Spielfeld und legen falsche Fährten aus. Profigeigerin Marina? Viel zu verdächtig, weil viel zu geständig und mit doppeltem Tatmotiv gesegnet. Profiturner Mats Haki? Auch viel zu verdächtig, zumal Schauspieler Theo Trebs erst wenige Wochen zuvor im tollen Kölner Tatort Der Reiz des Bösen den Mörder mimte (wenngleich der ARD-Programmplanung alles zuzutrauen ist). Und ansonsten? Keine Tatmotive, keine wirklich Verdächtigen. Aber eine harte Nuss für den Zuschauer.

Unter Regie von Tatort-Debütant Boris Kunz entsteht eine mitreißende Mischung aus Whodunit, Howdunit und Howcatchem – oder vielleicht doch nur eine ganz große Täuschung? Realität und Traumwelt verwischen, das klare Bild der Anfangsminuten verschwimmt. Erst auf der Zielgeraden stellt sich beim spektakulären Showdown der Durchblick ein – und doch dürfte die Münchner Melange aus beängstigenden Träumen und tatsächlichem Hier und Jetzt den einen oder anderen Zuschauer überfordern (die Erklärung zum Tatort gibt's hier).

Der Klasse des Krimis tut seine fordernde Struktur jedoch weniger Abbruch, als es der gelegentliche Leerlauf in der ersten Filmhälfte und kleinere Drehbuchschwächen (wie die späte Auswertung von Providerdaten) tun: Dreams ist unterm Strich ein gelungener Jubiläumskrimi und knüpft fast nahtlos an die Münchner Hochkaräter der Vorjahre an.

18 Kommentare:

  1. Habe schon wesentlich bessere gesehen, war zum einschlafen langweilig, nur hochtrabenses Gerede.

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  2. Super Tatort...Super Komissare...sehr gute Geschichte...hat mir heute sehr gut gefallen und die Hintergrund Musik war klasse

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  3. Ich hätte auf mein Bauchgefühl hören sollen : das war grottenschlecht, langweilig einfach nur grausam.
    Da sind die Rentnercops unterhaltsamer.
    Die zwei Kommissare sollten aufhören, da bewegt sich ja eine Schnecke schneller.

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  4. Wieviel Tatort-Blödsinn wie " Dreams" muss man sich als Rundfunkgebühr Zahler eigentlich noch gefallen lassen?

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  5. Hat mir sehr gut gefallen...klasse Kommissare...gute Geschichte...tolle Hintergrundmusik ...die Frau mit dem Geigenkasten...die Szene hatte was

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  6. Der Tatort war nicht schlecht.
    Warum aber muss er Dreams heißen und kann nicht einfach Träume heißen???
    Das verstehe ich nicht.

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    1. Als Anspielung auf die erste Folge von Batic und Leitmayr for 30 Jahren. Mit "Animals" war das ebenfalls ein englischer Titel.
      Und mal ehrlich: "Animals" hört sich (meiner Meinung nach) doch besser an als "Tiere", und "Dreams" rutscht leichter von der Zunge als "Träume". Oder etwa nicht?

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  7. Ohne Batic und Leitmayr hätten wir schon nach den ersten Minuten abgeschaltet

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  8. Auch wenn nicht der spannendste aber auf jeden Fall phantasievoller Tatort. Würdig für das 30 jährige Teamjubiläum

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  9. Wie so oft: ein hervoragener Tatort aus München. spannend und zum mitdenken! Bewertung: 10/10

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  10. Insgesamt schlecht. Tolles Ende !? - Nein, doch nur ein Traum.

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  11. So vergrault man Stammseher. Einfach langweilig.

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  12. Toller, spannender Tatort, der schonslos und realistisch zeigt, mit welchen Mitteln in der klassischen Musikszene und im Sport gearbeitet wird. Gutes Psychogramm von zerrütteten Künstlerseelen. Weiter so! Danke an das tolle Münchner Tatortteam.10 von 10 Punkten.

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  13. "Dreams" hat mich nicht gerade umgehauen, aber aus Sympathie zu Wachtveitl und Nemec schaut man natürlich "seinen" Münchener. Als Inntalbürger (Oberaudorf) bin ich besonders auf den kommenden am 19.12. gespannt. Gedreht wurde vor der eigenen Haustür...

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