Gier und Angst

Folge: 1185 | 2. Januar 2022 | Sender: WDR | Regie: Martin Eigler
Bild: WDR/unafilm GmbH/Elliott Kreyenberg
So war der Tatort:

Pawlakfixiert.

Denn in diesem Tatort stehen weder Hauptkommissar Peter Faber (Jörg Hartmann) noch seine Kollegin Martina Bönisch (Anna Schudt) oder die im Vor-Vorgänger Heile Welt neu zum Team gestoßene Rosa Herzog (Stefanie Reinsperger) im Zentrum des Geschehens: In Gier und Angst dreht sich (fast) alles um den Dortmunder Ermittler Jan Pawlak (Rick Okon), der nach einem Jahr quälender Ungewissheit seine heroinabhängige Frau wiedertrifft, die das TV-Publikum zuletzt im vielgelobten Tatort Monster von 2020 zu Gesicht bekam.

Bis zur ersten Begegnung mit Ella Pawlak (Anke Retzlaff, Kein Mitleid, keine Gnade) braucht es allerdings etwas Zeit und auch ein verdammt konstruiertes Drehbuch: Regisseur Martin Eigler, der die Geschichte zu seinem zehnten Tatort – wie zuletzt bei Der böse König und Der Mann, der lügt – gemeinsam mit Sönke Lars Neuwöhner schrieb, verknüpft Ellas Schicksal direkt mit dem Kriminalfall und hilft dem Zufall damit gehörig auf die Sprünge.

Als man am Hafen die Leiche eines Vermögensverwalters findet, gibt es mit dem psychisch labilen Josef Micklitza (Stefan Rudolf, Tödliche Ermittlungen) nämlich nur einen Zeugen, der direkt auf dem Präsidium erscheint – und dessen Bruder, der aufbrausende Clubbesitzer Georg "Micki" Micklitza (Sascha Alexander Gersak, Väterchen Frost), ist rein zufällig mit der abtrünnigen Ella liiert. Als Pawlak das durch eine ebenfalls zufällige Begegnung in Mickis Etablissement erfährt, stellt er seine verschwundene Frau zur Rede – doch die ist alles andere als gewillt, mit nach Hause zu ihm und seiner Tochter Mia (Jana Giesel) zu kommen.


JAN PAWLAK:
Komm, wir gehen nach Hause.

ELLA PAWLAK:
Wo ist denn das?


Gier und Angst ist ein spannender, stellenweise sehr aufwühlender Film – leidet nach Ellas zweitem Auftauchen nach einer knappen halben Stunde aber an einem Problem, das schon den Unterhaltungswert vieler anderer Dortmund-Folgen minderte: Der Tatort fühlt sich oft nicht wie ein Sonntagskrimi, sondern wie die Folge einer emotionalen Crime-Drama-Serie an. So hervorragend der 1185. Tatort für den horizontalen Erzählstrang im Ruhrgebiet funktioniert, so mitreißend die Geschichte um Pawlaks verzweifelten Kampf ist und so sehr der gewohnt starke Sascha Alexander Gersak und die nicht minder überzeugende Anke Retzlaff in ihren zentralen Rollen abliefern, so wenig überzeugt der Film als Krimi.

Mit Blick auf die tatverdächtigen Nebenfiguren im beruflichen Umfeld des Toten reiht sich in dieser Whodunit-Konstruktion nämlich ein Klischee ans nächste: Der verängstigte Kulturliebhaber Max von Alfeld (Matthias Bundschuh, Gott ist auch nur ein Mensch) ist beispielsweise so wohlhabend, dass er gar nicht weiß, wohin mit seinem geerbten Vermögen – und mit Blick auf seine Finanzen so naiv, dass er einfach alles unterschrieben hat, was die Vermögensberatung, für die der Ermordete tätig war, ihm vorgelegt hat. Solch plumpe Stereotypen gaben sich auch schon in Dieter Wedels thematisch ähnlich gelagertem und ähnlich schablonenhaftem TV-Zweiteiler Gier von 2010 die Klinke in die Hand.

Firmenchef Wiglaf Beck (Heiko Pinkowski, Die harte Kern) und Privatbankier Dr. Artur Mehring (Andre Jung, Damian) wiederum sind so aalglatt und profitgierig, wie man es in der Krimireihe von Verantwortlichen aus dem Finanzwesen gewohnt ist – das liefert zwar Steilvorlagen für schnippische Faber-Kommentare, aber keine Überraschungen. Ob es im Tatort wohl je einen rechtschaffenen Banker geben wird, der keine krummen Dinger auf Kosten seiner ahnungslosen Kunden dreht?

Die Schwächen bei der Figurenzeichnung fallen unterm Strich aber nicht so stark ins Gewicht, wie sie es bei anderen Tatort-Folgen täten, denn durch den ausführlich illustrierten Pawlak-Exkurs, der locker die Hälfte der Zeit in Anspruch nimmt, wird der eigentliche Kriminalfall stark in den Hintergrund gedrängt. Entsprechend dünn gerät auch die Auflösung des Mordfalls, die auf der Zielgeraden in einem Nebensatz abgehandelt und von den Kommissaren gar nicht mehr im Detail debattiert wird.

Denn das ist ja noch ein weiterer privater Nebenkriegsschauplatz, der in diesem Tatort beackert werden will und der sogar zu Handgreiflichkeiten und gebrochenen Nasen führt: Bönisch hat ihrem SpuSi-Lover Sebastian Haller (Tilman Strauß) den Laufpass gegeben, was der wiederum nicht akzeptiert – ob die Trennung auf den wütend abgetretenen Außenspiegel im Vorgänger Masken oder auf einen anderen Vorfall abseits der Kamera zurückzuführen ist, bleibt indes (noch) völlig nebulös.

7 Kommentare:

  1. Schlecht. Bewertungsdeite der ARD zum Tatort ist ein ganz schlechter Witz. Dann lieber Netflix Methode Daumen hovh und runter.

    Die App der ARD erwexkt den Eindruck, als ob die gar nicht gemerkt hanen, wie schlecht die Sendungen inzwischen sind. Die Fragen sind suggestive, slektiv, die App funktioniert nicht richtig. Ganz schlecht, was mit unseren hohen Rumdfunkgebuwhrsn great ht wird und ich glaube der Kern des Problems ist die Fuehrung und sind nicht die Schauspieler, wobei man sich mal fragen sollte, ob man nicht mal die Pensionsgrenze fuer einige Kommissare deutlich senken sillte.

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  2. Manchmal frage ich mich, ob die beteiligten Schauspieler sich das Ergebnis ihrer Arbeit mal selbst antun. Wenn sie das tun würden, sollte nicht so ein tiefgründiger Blödsinn rauskommen. Hinter den persönlichen Problemen der Ermittler tritt die eigentliche Handlung in den Hintergrund. Der letzte Dortmunder Tatort, den wir uns angesehen haben. Gott sei Dank gibt es noch Alternativen.

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  3. Das war schon der zweite perfekte Tatort in diesem Jahr.
    Ich freue mich auf den nächsten Dortmunder Tatort. Denn das offene Ende heute wirft noch viele Fragen auf.

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  4. Die Spannung bestand weniger in der Frage, wer der Mörder war als in der Frage, wie Jan Pawlak sich entscheiden wird: für seine Frau oder seinen Weg als Polizisten. Das war gut dargestellt. Es nervt nur, dass die Disfunktionalität der Teammitglieder, die oft mehr gegeneinander als miteinander arbeiten, nie Konsequenzen mit sich zieht. Bewertung 7/10

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  5. Also ich fand den Tatort aus Dortmund nicht schlecht. Habe sogar bis zum Ende durchgehalten und wurde nicht enttäuscht (was inzwischen bei den Tatorten selten der Fall ist). Note 7/10

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  6. Das war kein Krimi! Wenn ich einen Tatort einschalte möchte ich bitte einen Krimi sehen! Das war ein Familiendrama mit allerlei Zeugs drum rum. :-( Auch wenn die Darsteller größtenteils ihre Rolle gut gespielt haben... Es wirkt fast, als wäre da in der Nebenhandlung irgendwo ein Toter bzw. Mordfall untergebracht, damit man das ganze dann Krimi nennen kann. Leute!!! Bitte!!! Gebt uns gute Krimis! Die Dortmunder können das! Ich wünsche mir einen ironisch mauligen Faber und eine herbe Bönisch zurück (ohne verblödeten gekränkten Ex-Lover) und eine taffere Rosa Herzog! Wenn der Pawlak dann auch mal ein anderes Gesicht als das ewig gequälte aufsetzen könnte, an dem wir uns schon in den zwei Staffeln Das Boot satt gesehen haben, wäre das wunderbar! Ich gebe die Hoffnung noch nicht auf.

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  7. Ich fand den Film gut, dem Hinweis auf den bekloppten und höchst überflüssigen Exlover stimme ich allerdings zu 100 Prozent zu.

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