Liebe mich!

Folge: 1190 | 20. Februar 2022 | Sender: WDR | Regie: Torsten C. Fischer
Bild: WDR/Bavaria Fiction GmbH/Thomas Kost
So war der Tatort:

Desillusionierend.

Denn in diesem Tatort reißen die Filmemacher ohne Vorwarnung brachial wieder ein, was in den Folgen zuvor als zartes Pflänzchen aufgekeimt war und was sich so mancher Fan für seine Tatort-Lieblinge aus dem Ruhrgebiet gewünscht hatte: Die bis dato eher subtil schwelende Zuneigung von Hauptkommissar Peter Faber (Jörg Hartmann) zu seiner langjährigen Kollegin Martina Bönisch (Anna Schudt) gipfelt in Liebe mich! in einem Kuss und in einer gemeinsamen Nacht – und ist nach dem erschütternden Finale doch Makulatur.

Alles Andere wäre auch nicht der Tatort aus Dortmund – der hat in seiner Erfolgsgeschichte schließlich schon reihenweise Dramen zelebriert und selten Romantik zugelassen. Wir denken zurück an das abgetriebene Kind von Oberkommissarin Nora Dalay (Aylin Tezel) und ihrem Kollegen Daniel Kossik (Stefan Konarske), der den Weg nicht weitergehen wollte und sich 2017 in Sturm mit einem Paukenschlag verabschiedete. Oder an den aufwühlenden Kampf zwischen Faber und seinem Erzfeind Markus Graf (Florian Bartholomäi), der 2020 in Monster ein letztes Mal auf der Bildfläche erschien, ehe der Vorhang für den perfiden Frauenmörder fiel.

Mit Liebe mich! schreibt der Fadenkreuzkrimi aus der Stadt am Phönixsee ein weiteres Mal Fernsehgeschichte: Das blutige und völlig überraschende Finale zählt zum Tragischsten, das dem Publikum in den bis dato knapp 1.200 Tatort-Folgen zugemutet wurde. Erinnerungen werden wach an die spektakuläre Schlusspointe im vielgelobten Kölner Tatort Franziska oder an den grandiosen Münchner Cliffhanger-Tatort Am Ende des Flurs, die die Zuschauer 2014 bei den jeweiligen TV-Premieren schlaflos in die Nacht entließen.

In Dortmund trifft uns der Schmerz ungleich heftiger, kennen wir Faber, Bönisch & Co. mit all ihren Schicksalen, Ecken und Kanten dank der intensiven Charakterzeichnung von Stammautor Jürgen Werner (Wie alle anderen auch), der diesmal ebenfalls für das Drehbuch verantwortlich zeichnet, nach Feierabend so gut wie kaum ein anderes Ermittlerteam. Auch ihre spitzzüngigen Dialoge sind vielen Fans ans Herz gewachsen – da können nur wenige Teams aus anderen Städten mithalten.

Der späten Tragödie zum Trotz beginnt der 1190. Tatort fast friedlich: Nach einem noch rätselhaften Prolog, in dem sich eine Frau vor dem Spiegel zu den Klängen von Boyz II Mens "A Song for Mama" schminkt und der Geburtstagskuchen für ein vierjähriges Kind auf einem Tisch bereitsteht, werden in einem Bestattungswald nacheinander zwei tote Frauen gefunden, die der Mörder über Dating-Portale kennengelernt und nach ihrem Ableben hat verschwinden lassen. Um ihn zu überführen, agiert die auf diesem Terrain erfahrene Bönisch mit ihrem Online-Profil "Böhnische Dörfer" als Lockvogel.


BÖNISCH:
Warum hat er sich dann mit mir verabredet?

FABER:
Der Mann hat Geschmack.


Das Dortmunder Ermittlerquartett, zu dem auch der im Vorgänger Gier und Angst heftig geforderte Jan Pawlak (Rick Okon) und die 2021 in Heile Welt dazugestoßene Rosa Herzog (Stefanie Reinsperger) zählen, hört sich im Bestattungsinstitut von Thomas Ihle (Jan Krauter, Im toten Winkel) und seiner Frau Julia (Marlina Mitterhofer) um, die bei ihrem Handwerk vom zurückhaltenden Nils Schmelzer (Henning Flüsloh) und vom groben Armin Röder (Björn Jung) unterstützt werden. Einzig Bönisch tanzt bei der Ermittlungsroutine aus der Reihe: Sie gerät erneut mit ihrem Ex-Lover Sebastian Haller (Tilman Strauß) aneinander, der sich nicht mit der Trennung abfindet und böse Gerüchte über die Kommissarin in die Welt setzt.

Schon zu diesem frühen Zeitpunkt des Films kristallisiert sich heraus, dass es Bönisch ist, um die sich später (fast) alles dreht – wer genau hinhört und hinsieht, findet mehrere Hinweise auf das spätere Drama (die Übersicht gibt's hier). Zwar legen die Filmemacher mit der Rückkehr von Rosa Herzogs Mutter Susanne Bütow (Rosa Enskat) eine falsche Fährte und den Grundstein für weitere Konflikte, verfolgen diesen Handlungsstrang aber (noch) nicht weiter. Als die von Stefanie Reinsperger grandios gespielte Herzog in eine brenzlige Situation gerät, wiegen uns Drehbuchautor Jürgen Werner und Regisseur Torsten C. Fischer für einen kurzen Moment in trügerischer Sicherheit, ehe sie uns auf der Zielgeraden brutal den Boden unter den Füßen wegziehen und uns geschockt mit dem stilsicher variierten Abspann allein lassen.

Krachende Schlussakkorde in dieser Intensität findet man im Tatort nur selten – da ist es zu verschmerzen, dass wir über die Vorgeschichte des Serienmörders recht wenig erfahren, zumal das mit Blick auf die begrenzte Spielzeit und das Sonntagabendformat kaum anders zu lösen ist. Geschuldet ist die eher dünne Charakterzeichnung auch dem Whodunit-Ansatz, der das Finale Furioso in diesem überragenden Serienkiller-Thriller erst möglich macht – und nach dem sich der Dortmunder Tatort zum zehnjährigen Jubiläum ein weiteres Mal neu erfinden muss.


BÖNISCH:
Du bleibst hier. Versprochen?


Bewertung: 10/10



17 Kommentare:

  1. Wie kann man dieses Team, Faber-und Bönisch, weiter ermitteln lassen! So eine hingezogene Geschichte, ein Team was nur Liebelei im Kopf (der Verstand setzt aus) hat, ihre Arbeit mit einer Lahma.schigkeit vollzieht ... nein danke, nie wieder Tatort Dortmund mit diesen langweiligen, zum Ende hin, dummen Ermittlern!!!

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    1. Vielleicht hätten Sie den Tatort erst einmal zu Ende schauen sollen. Das kann ja zum Zeitpunkt Ihres Kommentares nicht der Fall gewesen sein...

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  2. War ein richtig guter Tatort...den Haller den muß man ja einfach unsympathisch finden mit seiner miesen Stalkerart...
    Der Schluß war traurig...sehr traurig

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  3. Welch ein Tatort, der der einfach super gelungen ! Aber gestorben ist am Ende die falsche Person. Der Haller hätte es verdient zu sterben, aber nicht Frau Bönisch. Phantastische Leistung vom ganzen Team.

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  4. OmG, da komm ich nicht drüber weg: Faber ohne Böhnisch ...das geht überhaupt nicht! Warum musste sie weg? Keine andere Idee, die Liebe zu beenden?? Wie soll Faber jetzt noch weitermachen?Unmöglich! Bleibt nur Ausstieg! Rosa: ganz prima an Profil gewonnen + Pawlak sowieso. Dortmund: absoluter Tatort-Favorit, aber das Ende muss erstmal verdaut werden, trotzdem ganz tolles Drehbuch + super umgesetzt.

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  5. Heute sah man Schauspieler, die auch so bezeichnet werden müssen. Das tragische Ende war perfekt gespielt - menschlich, ohne jede Relativierung.

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  6. Was für ein guter Tatort heute, echt traurig und mehr als schade, dass die Schauspielerin aussteigt, bin wirklich entsetzt, denn der Tatort aus Dortmund ist the best!!! Bin wirklich entsetzt über das unerwartete Ende...

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  7. Bin geflasht ! Ein ganz toller Tatort - klasse schauspielerische Leistung ! Schade nur, denn Boenisch tat Faber gut ! Hoffe, es geht spannend weiter - und .... herzlichen Dank an eine klasse Anna Schudt !!!!!

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  8. Bin kein Tatort Dortmund Fan,aber der heute war wirklich gut. Vor allem sehr gut gespielt. Interessant wird sein wie es nun mit Faber weitergeht. Die 10 Punkte sind berechtigt.

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  9. Wie konnte man Kommissarin bonisch nur sterben lassen..?
    Ob Farbe und sie sich vielleicht doch irgendwann mal kriegen, das war doch der rote Faden in dieser Serie.
    Hätte man der Frau nicht einfach das bisschen mehr Geld zahlen können dass sie gefordert hat...?

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    1. Ein Spoiler Alert wäre ganz nett gewesen...

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  10. Was für ein Schock!
    Dieser Tatort ist ein perfektes Beispiel dafür, warum man einen Film immer zu Ende schauen muss, bevor man sich ein Urteil bilden kann. Denn es sind die letzten Minuten, die “Liebe mich!” zu etwas Besonderem machen.
    In der ersten Stunde mutet der Film an wie ein guter Whodunit, der jedoch etwas an seiner Vorhersehbarkeit leidet. Oder war jemand wirklich überrascht, als einer der Mörder gezeigt wurde? Dass mit diesem Charakter etwas nicht stimmen kann, war ja von Anfang an überdeutlich.
    Außerdem scheint der Fall durch die Einbeziehung der Privatprobleme gleich dreier (!) Ermittler etwas überfrachtet. Doch am Ende ergibt in dieser Hinsicht alles Sinn, weil all diese Probleme letztendlich zur Katastrophe beitragen: Pawlak ist mit seiner Tochter beschäftigt, sodass er auf Herzogs Anruf nicht reagiert. Die Geschichte um Herzogs Mutter lenkt die Ermittler ab, sodass sie wertvolle Zeit schinden. Und natürlich führt das idiotisch trotzige Verhalten Hallers dazu, dass Bönisch nicht gut genug vorbereitet ist.
    Die Entführung von Rosa Herzog ist ebenfalls ein ausgezeichneter Drehbuchkniff: Zum einen bietet er die Möglichkeit, mehr über diese Ermittlerin zu erzählen, da sie dem Entführer gut zuredet und dabei ihre Vorgeschichte vor ihm ausbreitet. Zum anderen darf der Zuschauer ordentlich um Rosa Herzog zittern und sich über ihre Rettung freuen – um dann umso geschockter die finale Wendung mitzuerleben.
    Unterm Strich erhöhen das Schlussdrittel und vor allem der finale Schock die Wertung erheblich. Dennoch ist es etwas schade, dass dieser Tatort als Whodunit nicht ganz zu überzeugen vermag. Andererseits ist mir klar, warum das Whodunit-Prinzip für diesen Tatort unumgänglich war. Vielleicht hätte man dieses Problem lösen können, indem man anfangs nur einen der Täter in Nahaufnahme gezeigt hätte und die Mittäterschaft der zweiten Person einfach verschwiegen hätte.
    Egal, seine 10/10 Punkte hat sich dieser Tatort dennoch verdient: Ein Meilenstein der Tatort-Geschichte ist er allein schon deshalb, weil er das Ende einer Ära markiert. Jetzt muss sich der Dortmunder Tatort, einer der besten der 10er Jahre, komplett neu aufstellen. Die Messlatte hängt jedenfalls sehr hoch.

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  11. Das Beste, was wir seit Langem sehen durften! Danke und Glückwunsch an das ganze Team! Auch wenn der Schock noch wirklich tief sitzt...

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  12. Sehr spannender Tatort mit sehr guten schauspielerischen Leistungen! Toll! 10 von 10 Punkten.

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  13. Die Schauspielerinnen und Schauspieler spielen in der Tat sehr gut. Trotzdem sind sicher 10 von 10 Punkten viel zu hoch gegriffen. Die Handlung zieht sich sehr lang hin, die Täter sind viel zu schnell klar, die Tat wird pseudopsychologisch erklärt und am Ende kommt zugegebenermaßen ein Überraschungsmoment. Das macht insgesamt 6 von 10 Punkten.

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