Vier Jahre

Folge: 1188 | 6. Februar 2022 | Sender: WDR | Regie: Torsten C. Fischer
Bild: WDR/Bavaria Fiction GmbH/Thomas Kost
So war der Tatort:

Feucht und feuchtfröhlich zugleich.

Denn im Kölner Tatort Vier Jahre, in dem die populären Hauptkommissare Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) ihr 25-jähriges Dienstjubiläum feiern, ist nicht etwa das Ermittlerduo der Star – sondern ein Pool, an dessen Beckenrand am Silvesterabend 2017 eine ausgelassene Party mit tragischem Ausgang stattfand. Im Wasser starb damals Thore Bärwald (Max Hopp, Die Nacht gehört dir), weil jemand einen ans Stromnetz angeschlossenen Scheinwerfer in den Pool stieß, während der exzentrische Theaterstar stockbesoffen auf einer Luftmatratze trieb.

Dieses zurückliegende Ereignis bildet im Krimi aus der Feder von Drehbuchautor Wolfgang Stauch (Blind Date) die Basis für das Geschehen im Hier und Jetzt: Auf dem Präsidium erscheint Bärwalds chronisch erfolgloser Schauspielkollege Ole Stark (Martin Feifel, Wir kriegen Euch alle) und behauptet, den Mord damals begangen zu haben – und nicht etwa der Fernsehdarsteller und Partygastgeber Moritz Seitz (Thomas Heinze, Wir - Ihr - Sie), der zum Leid von Gattin Carolin (Nina Kronjäger, Freunde bis in den Tod) und Tochter Lene (Sarah Buchholzer, Lakritz) für die Tat verurteilt wurde.

Schon zu Beginn dieser clever arrangierten Tatort-Folge verschmelzen die zwei Zeitebenen: Die Feierszenen aus der Silvesternacht werden unter Regie von Torsten C. Fischer (Die Kalten und die Toten) mit eleganten Übergängen parallel zum Aufrollen des Falls montiert, der 2022 fast im Zeitraffer erzählt wird – und es kristallisiert sich heraus, dass Ermittler und Justiz damals erheblich daneben lagen. Dabei gab es durchaus Zweifel am Tathergang – und in der Gegenwart ist es schon bald Stark, der nun zur Genugtuung der energischen Staatsanwältin Melanie Novak (Renan Demirkan, Zahn um Zahn) in Rekordzeit für den Mord verknackt wird.


SCHENK:
Sie hätten uns wenigstens zwei Wochen geben können.

NOVAK:
Wozu?

SCHENK:
Um herauszufinden, dass das, was hier heute passiert ist, Bullshit ist.

NOVAK:
Damit ich dann in vier Jahren wieder herausfinde, dass das, was Sie herausgefunden haben, Bullshit ist?


Der anfangs noch etwas unübersichtliche Tatort wirft kein gutes Licht auf die deutsche Judikative – was in der Krimireihe bekanntlich keine Seltenheit ist (vgl. Nie wieder frei sein, Lass den Mond am Himmel stehn). Auch Ballauf und Schenk, diesmal ohne die Unterstützung von Norbert Jütte im Einsatz (mehr zu den Hintergründen in unserem News-Artikel), stellen Fragen, die sie schon früher hätten stellen sollen. Und die von Missgunst durchsetzte, finanziell heterogen aufgestellte Schauspielerbranche bekommt gehörig ihr Fett weg – was sich hier aber weniger (selbst-)ironisch gestaltet als etwa in der grandiosen Wiesbadener Film-im-Film-Konstruktion Wer bin ich? von 2015.

Vier Jahre verfolgt einen ernsthafteren Ansatz und punktet als kniffliger Whodunit, der gleich zwei Parallelen zum fünf Wochen zuvor ausgestrahlten, vielgelobten Stuttgarter Tatort Videobeweis aufweist: Während in den Köpfen der Ermittler und vor den Augen des Zuschauers mehrere mögliche Tathergänge durchgespielt werden, ist die Auflösung am Ende eine ganz andere – und wieder spielt ein Kothaufen eine entscheidende Rolle. Bei der Suche nach dem Mörder genießt das Publikum einen Wissensvorsprung: Viel Entscheidendes findet hinter Ballaufs und Schenks Rücken statt und man trifft sich immer wieder am Pool – dem Ort, um den sich in diesem Tatort nicht nur symbolisch alles dreht.

Kameramann Holly Fink (Das Recht, sich zu sorgen) lässt uns mit seiner herbstlichen Bildsprache eintauchen in die Privatwelt des neuerdings von den Nachbarn geschnittenen TV-Stars Seitz, den seine Rolle als Tierdoktor Schröder bekannt machte – als Arzt, dem die Sauen vertrauen. Wir werden Zeuge eines atmosphärisch dichten Ehedramas, in dem auch der Schlüssel zur (leider sehr kitschigen) Schlusspointe zu finden ist: Kaum war ihr Gatte hinter Gittern, ließ sich die zum Kellnern gezwungene Carolin Seitz ("Ich kann noch nicht mal mehr meinen scheiß Vorabend drehen!") mit dem Streifenpolizisten Frank Heise (Florian Anderer, Die dritte Haut) ein, der in der Tatnacht im Dienst war und schon länger ein Auge auf die immer seltener besetzte Schauspielerin geworfen hatte.

Man muss kein Prophet sein, um vorherzusehen, dass auch Stark die Tat nicht begangen hat – der Weg bis zum Finale (am Pool) gestaltet sich aber sehr reizvoll und lässt sogar Zeit für einen herrlichen Meta-Moment, in dem Heise durchs TV-Programm zappt und beim WDR-Tatort Kressin stoppt den Nordexpress von 1971 hängen bleibt. Manche Figur kommt im Film aber zu kurz – etwa die depressive Lene, über deren Suizidversuch wir wenig erfahren. Aufgefangen werden die Leerstellen durch den Cast: Mit Franziska Arndt (Wir sind die Guten), die Starks Ehefrau Betti spielt, und Manfred Böll (Das schwarze Haus), der den argwöhnischen Nachbarn Dr. Urs Keller mimt, ist der Film auch in den kleineren Nebenrollen überzeugend besetzt.

Bewertung: 7/10



😟 Wo war Assistent Norbert Jütte? Hier gibt's die Antwort


15 Kommentare:

  1. Der heutige tatort"vier Jahre" war krottenschlecht

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  2. Ich fand den Tatort heute spannend bis zum Schluss.

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  3. Ein Tatort der etwas anderen Art, aber durchaus sehenswert.

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  4. Der Tatort war nicht besonders schlecht auch nicht besonders gut... Die ganze Geschichte war für meinen Geschmack wieder viel zu drüber... Diese erzwungene Dramatik... Diese zähen Dialoge alles mal wieder ein wenig too much

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  5. Ein Alkoholiker gesteht einen Mord, den er nicht begangen hat um der Sucht zu entkommen. Wenig überzeugend ebenso wie der Rolle des Polizisten Frank und seiner heimlichen Liebe, um deren Willen er ad-hoc Spuren manipuliert. Alle Charaktere waren so unsympathisch, dass es einem egal war, was wirklich passiert war. "Vielleicht hätten wir es lassen sollen" Wie wahr. ��

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    1. Diesem Kommentar stimme ich absolut zu! Da konnte man keinem das Verhalten glaubwürdig abnehmen. Ja, wenn man es nicht besser kann, sollte man es tatsächlich lassen.

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    2. Das sehe ich genauso! Sehr zäh, an den Haaren herbeigezogene Story und sehr unsympathische Darsteller.

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  6. War ganz okay. Man wusste bis zum Schluss nicht,wer es denn nun war. Es hätte jeder sein können. Und das wollen wir doch so sehen.

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  7. War okay, nicht allzu spannend zwar, aber doch ganz interessant anzuschauen. Außerdem gar nicht so sehr an der Realität vorbei - man kann sich so ein Szenario schon vorstellen. Also insgesamt besser als viele Folgen die man neuerdings so serviert bekommt.

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  8. Das war ein sehr guter Tatort, spannend vom Anfang bis zum Schluss, mit sehr guten schauspielerischen Leistungen. Der Tatort zeigt realistisch, wie Manipulationen und Intrigen sehr schnell unheilvolle Dynamiken auslösen können und wie schwer es ist als unschuldige Person, der mal etwas angehängt wurde, die Gesellschaft selbst nach Beweis der Unschuld zu überzeugen. Danke für diesen tollen Tatort an das Kölner Team!

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  9. ...der beste Tatort seit Jahren

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  10. Ein toller Tatort, gut erzählt und gespielt. Thomas Heinze ist eigentlich nicht so mein Fall, aber hier fand ich ihn mal gut. Ebenfalls gut - die Musik !

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  11. Super Tatort,alle haben sehr gut gespielt

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  12. Super und auch krasse Folge!!
    Was ein bandalster "Shit"-Grund als Auslöser wieder für übelste und eben lange Auswirkungen haben kann bei dem alle betroffen sind. Dialoge, Charakter sehr gut und halt nicht nur die vordergründige Story auch besonders die ganzen Hintergründe spielen hier die entscheidenden Rollen. Top u Emotional

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  13. Seit langem mal wieder ein guter Tatort mit neuen und frischen Ansätzen.

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