Hubertys Rache

Folge: 1195 | 27. März 2022 | Sender: WDR | Regie: Marcus Weiler
Bild: WDR/Bavaria Fiction GmbH/Thomas Kost
So war der Tatort:

An Bord.

Hubertys Rache spielt nämlich zu großen Teilen auf einem Ausflugsschiff auf dem Rhein: Der vorbestrafte Ex-Lehrer Daniel Huberty (Stephan Kampwirth, Das Wunder von Wolbeck), der für eine Liaison mit einer 14-jährigen Schülerin verurteilt wurde und dem der Jubiläumstatort der Kölner Kommissare seinen Titel verdankt, will sich mit einer Rache-Aktion dafür rehabilitieren, dass man ihm vermeintlich Unrecht angetan hat. Erst tötet er einen Techniker, der an Bord der "Agrippina" Reparaturen durchführt, dann platziert er im Maschinenraum eine Bombe – und nimmt am Tag darauf den Kapitän und das gute Dutzend Fahrgäste, das sich im Februar auf das Schiff verirrt, als Geiseln.

Seine Forderung: Fünf Menschen, mit denen er in der Vergangenheit zu tun hatte, sollen von der Polizei an Bord gebracht werden – für jede Person bleibt eine Stunde Zeit, ansonsten tötet er der Reihe nach seine Geiseln. Was für eine spannende Ausgangslage!

Sonderlich durchdacht und schlüssig wirkt der Plan des Bombenlegers allerdings nicht: Wie bitte rehabilitiert man sich öffentlich für eine Straftat, indem man eine noch schlimmere Straftat begeht, bei der eine zweistellige Anzahl Unschuldiger ums Leben kommen könnte? Und warum sollte man diesen Plan an Bord eines unübersichtlichen, in voller Fahrt befindlichen Schiffs durchführen, wenn man entweder für das SEK an Deck auf dem Präsentierteller steht oder unter Deck gar nicht mitbekommt, was im oberen Stockwerk vor sich geht?

Die wenig glaubwürdige Geschichte des Autorenduos Volker und Eva A. Zahn, die zuletzt die soliden Kieler Tatort-Folgen Borowski und der Fluch der weißen Möwe und Borowski und die Kinder von Gaarden konzipierten, steht von Beginn an auf tönernen Füßen – und mündet unter Regie von Tatort-Debütant Marcus Weiler nach einem packenden Auftaktdrittel in immer realitätsferneren Ungereimtheiten, Actioneinlagen und Allgemeinplätzen. Ähnlichen Kitsch kennen wir auch aus einem anderen öffentlich-rechtlichen Quotenhit, auf den Kriminaltechnikerin Natalie Förster (Tinka Fürst) dankenswerterweise gleich hinweist:


FÖRSTER:
Wir reden hier von 26.000 Litern Sprit. Damit könnte er das ganze Traumschiff in die Luft jagen.


Dass die Kölner Hauptkommissare Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär), die nach der Abstinenz im Vorgänger Vier Jahre wieder auf ihren – diesmal recht passiven – Kollegen Norbert Jütte (Roland Riebeling) bauen können, überhaupt zum Zug kommen, liegt daran, dass auch die obligatorische Auftaktleiche ins Drehbuch gequetscht wurde – so kommt nach dem Auffinden des toten Mechanikers am Rheinufer auch Dr. Roth (Joe Bausch) zu seinem Kurzauftritt. Ihn hätte es in diesem Tatort noch weniger gebraucht als Staatsanwältin Melanie Novak (Renan Demirkan), die bei ihrem zweiten Einsatz in der Domstadt tapfer ihren Senf dazu gibt und Schenk nach einem seltsam künstlichen Wut-Monolog die Absolution erteilt.

Hubertys Rache, der während der Corona-Pandemie entstand und mit seinen Studioaufnahmen auffallend steril wirkt, hat zweifellos einen hohen Unterhaltungswert – doch ist der oft auch unfreiwilliger Natur. Neben den überschaubar talentierten Kleindarstellern und den kratergroßen Plot Holes ist da auch die Charakterzeichnung mit dem Holzhammer zu nennen: Damit wir später stärker um das Leben der an Bord befindlichen Oberstaatsanwältin Dr. Svenja Poulsen (Christina Große, Wer zögert, ist tot) und ihrer Tochter Amelie (Anna Bachmann, Und immer gewinnt die Nacht) zittern, drückt man den beiden einleitend einen halbgaren Streit über Leistungskurse und das Great-Green-Wall-Projekt in der Sahara aufs Auge, der natürlich irgendwann wieder aufgegriffen wird. Ja wer soll in Afrika denn sonst "diese verdammten Bäume pflanzen", wenn das Töchterchen erschossen wird?

Der anfangs so besonnene Geiselnehmer hingegen verliert nicht nur die Nerven, sondern auch den Überblick: Spätestens, als sich Ballauf undercover als Immobilienmakler an Bord begibt, steht der fahrlässig uninformierte Huberty vor dem Problem, dass seine Geiseln praktisch machen können, was sie wollen. Mal diskutiert der potenzielle Massenmörder auf der Herrentoilette mit Ballauf über Prostataprobleme, mal schaut er in der Kajüte des bemerkenswert relaxten Kölschen Kapitäns vorbei – et hätt eben noch immer jot jejange. Und doch warten sämtliche Fahrgäste stets darauf, dass er an die Bar zu seinem Pfefferminztee zurückkehrt und Filmaufnahmen im Halbdunkeln anfertigt.

Rächen tut sich das alles nicht, denn das Drehbuch sieht keine Rebellion der Geiseln vor, wenn man von Ballauf einmal absieht: Der gibt trotz der tickenden Bombe den Bad Cop, pardon, den Bad Estate Agent, während der besorgte Schenk einfach jenseits von Zeit und Raum agiert. Obwohl der Film fast in Echtzeit spielt, wechselt der Kommissar binnen Minuten mühelos zwischen Präsidium, Rheinufer und Polizeiboot hin und her – er ist einfach immer da, wo er gerade gebraucht wird. Natürlich auch an Ballaufs Seite, wenn in der Schlussminute mit Kölsch in der Hand bedeutungsschwanger auf den Rhein geblickt wird und die Kommissare wieder das sind, was sie im Kölner Tatort so oft sein müssen: das Sprachrohr dessen, was wir uns längst gedacht haben.

25 Kommentare:

  1. Dieser heutige Tatort ist ja echt so mega schlecht, da fällt mir nichts mehr zu ein. Ich versuche ja immer mal wieder Tatort zu schauen,weil ich früher jeden Sonntag Tatort gesehen habe. Aber was in den letzten Jahren da so kommt ist totale Scheiße mit wenigen Ausnahmen. Gott sei Dank gibt es ja noch Prime und Netflix

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Der heutige Kölner Tatort war Mega gut - ich fühlte mich bestens unterhalten- sehr gut!!! Weiter so

      Löschen
  2. Ich fand den Tatort heute richtig super...mega spannend...von Anfang bis zum Schluß...klasse gespielt super Ermittler
    So muß ein Tatort sein

    AntwortenLöschen
  3. Dieser Tatort war mit Abstand der beste seid langem. Es wäre sonst mein letzter gewesen. Nun überlege ich mir ob ich nicht doch dran bleibe. Gruß Hubert Kempkes

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Das kann ich nur bestätigen - bester Tatort seit langem!!! Gruss Andreas

      Löschen
    2. Bester Tatort seit längerer Zeit

      Löschen
  4. Seit Wochen der erste gute und auch spannende Tatort,auf das Kölner Duo ist Verlass!

    AntwortenLöschen
  5. Nur die Gewehre und Scharfschützen waren ein großer Lacher.

    AntwortenLöschen
  6. Nur die Gewehre und Scharfschützen waren ein Lacher. Treffen noch nicht mal den Täter.

    AntwortenLöschen
  7. War sehr spannend heute, aber die guten alten Ratekrimis sind mir lieber

    AntwortenLöschen
  8. Es war spannend und die Schauspieler haben ihre Sache gut gemacht. Ob da ein paar Logiklöcher oder was auch immer drin waren... total wurscht! Wir haben uns sehr gut unterhalten gefühlt! Ballauf hat gerockt!! Bei Bruce Willis früher war auch nicht immer alles logisch, aber jeder fand's toll! ;-) Daumen hoch!

    AntwortenLöschen
  9. Nach den Tatortfolgen der vergangenen Wochen nun der 2. gute ! Noch besser und spannend als letzte Woche. Geht doch, weiter so !!!

    AntwortenLöschen
  10. Logiklöcher, Ungereimtheiten und was auch immer - uns hat's ganz gut gefallen. Wir wollen uns ja unterhalten und keinen Lehrfilm über Polizeiarbeit anschauen. Spannend war's und das reicht uns,kommt ja bei den heute üblichen albernen aber künstlerisch ja so überaus anspruchsvollen Filmchen immer seltener vor.

    AntwortenLöschen
  11. Ein nicht-psychotischer Amoktäter (sind die schlimmeren): alles minuziös vorbereitet, zu Anfang nur die Waffe zeigen, dann doch schießen, und wenn es eskaliert ist und alles schief gelaufen ist, den Knopf drücken: Läuft bei mir unter "Putin-Tatort" - hoffentlich gibt es auch da auch einen "Blocker" ...

    AntwortenLöschen
  12. Ein spannender und unterhaltsamer Tatort. Ich hätte es besser gefunden von Anfang an klar zu machen, dass Hubert schuldig war. So erklärt sich auch sein schwachsinnigen Plan. Der Mann war nicht unschuldig, sondern komplett irre. Dann wäre es fast noch spannender gewesen.

    AntwortenLöschen
  13. Dieser Tatort war super, man hatte oft das Gefühl dabei zu sein. Eine echte Holywood-Leistung. Es geht auch ohne Ballerei. Psychologisch meist ausgewogen. Außer die Staatsanwältin hat sich nicht real verhalten. Grüße. Volker

    AntwortenLöschen
  14. Hätte mir gewünscht, dass die Psyche des Täters noch bisschen mehr beleuchtet wird. Ansonsten super Tatort, spannend und unterhaltsam. Was will man mehr?!

    AntwortenLöschen
  15. Nach den Tatorttiefpunkten der letzten Wochen endlich mal wieder ein sehr spannender, hervorragender Tatort. Danke an das tolle Kölner Team. Bitte weiter so, so macht Tatort Spass. Die schauspielerische Leistungen waren toll und der psychologische Tiefgang war wohltuend. Endlich mal nicht ins Seichte und Platte abgedriftet. Vor Allem die Konfrontation des ehemaligen Opfers mit dem Täter war herausragend gespielt und umgesetzt. Ich gebe 10 von 10 Punkten.

    AntwortenLöschen
  16. Das war der perfekte Tatort! Spannung von Anfang bis zum Ende! Auch das die Tatsache : "schuldig oder nicht "
    erst am Ende geklärt wurde, hat für zusätzliche Spannung gesorgt.

    AntwortenLöschen
  17. Schenks Wutanfall war für mich sehr nachvollziehbar: Er hatte Angst um seinen Kollegen und Freund Ballauf. Ich fand es großartig, dass er für einen Moment seinen Gefühlen Raum gegeben hat. Das hatte ich von ihm, nach mehr als 20 Jahren Zusammenarbeit mit Ballauf, auch erwartet. Die Sorge stand ihm ständig im Gesicht. Das is Schenk. Ein loyaler Gefühlsmensch, wie er ist, fällt ihm schwer, das Leben des Freundes zu riskieren.
    Ballauf macht dagegen den Eindruck, als würde er gerne mit seinem Leben spielen. Er will "improvisieren", jemand anders sein... aber eben nicht während des Karnevals. Ein wenig Lebensgefahr und Opferbereitschaft muss auch sein. Das ist Ballauf. Mutig und vielleicht ein wenig selbstzerstörerisch, wach und ideenreich.
    Die Kommissare "at their best"!
    Dazu noch ein Täter, mit dem man am Anfang fast mitfühlen will, weil er eher unschuldig wirkt und meint, es gehe ihm um seine Rehabilitierung. Man weiß zu diesem Zeitpunkt auch nicht genau, was passiert ist. Ein juristischer Fehler hätte es auch sein können.
    Die Zeiten wurden genau dokumentiert, am Anfang hat ihnen der Täter zwei Stunden für die erste Person gegeben, dann noch eine Stunde, nachdem Ballauf an Bord gegeangen ist, dann schließlich kam auch der Ehemann an Bord... Schenk hatte also mehr als genug Zeit, sich mal hier oder dort zu begeben. Der Film spielt nicht in Echtzeit.
    Etwas verwunderlich war in der Tat der misslungene Schuss, jedoch hat diese Szene die Spannung nur gesteigert. Und bald flog auch Ballaufs Tarnung auf... Klasse!
    Ein sehr unterhaltsamer Tatort!


    AntwortenLöschen
  18. Schade, fing so spannend und vielversprechend an.
    Ein Lehrer der seine Haftstrafe wegen Mißbrauch von Schutzbefohlenen verbüßt hat begeht beim Anbringen einer Bombe einen Mord um anschließend Geiseln zu nehmen und dabei eine öffentliche Rehabilitierung zu erpressen.
    - Klingt das glaubhaft.
    - Mehrere Scharfschützen schießen daneben. 350m:2 ?
    - Motivation der Bardame?
    - Späte Überwältigung!
    Bis zu den Scharfschützen Note 1, dann abwärts zu bedauerlicher Endnote 5

    AntwortenLöschen
  19. Naja, der Geiselnehmer war schon sehr daneben, auch die Scharfschützen eher unglaubwürdig. Dieser Tatort war etwas langweilig, aber sonst gut besetzt.

    AntwortenLöschen
  20. Ich fand diesen Tatort im Vergleich zu all den vergangenen Tatortfolgen auch wirklich schlecht :-(

    AntwortenLöschen