Risiken mit Nebenwirkungen

Folge: 1208 | 11. September 2022 | Sender: SRF | Regie: Christine Repond
Bild: SRF/Sava Hlavacek
So war der Tatort:

Pharmazeutisch.

Der vierte Tatort mit den Zürcher Kantonspolizistinnen Isabelle Grandjean (Anna Pieri Zürcher) und Tessa Ott (Carol Schuler) dreht sich nämlich um die Machenschaften des fiktiven Schweizer Pharmakonzerns Argon, der – wie könnte es in der Krimireihe anders sein – nicht nur Milliarden an Marktkapitalisierung auf die Waage bringt und mühelos Start-Ups aufkauft, sondern auch ordentlich Dreck am Stecken hat.

Darunter leidet: ein Mensch, dessen Schicksal uns betroffen macht, oder besser gesagt: betroffen machen soll. Ein trauriger Teenager, Klara Canetti (Anouk Petri, Geburtstagskind), die wegen einer seltenen Krankheit im Rollstuhl sitzt. Und die mit ihrer verzweifelten Mutter Dorit (Annina Butterworth) die letzten Hoffnungen in das Argon-Medikament Volmelia gesetzt hat, das sich noch in der Testphase befindet und verheerende Schäden in Klaras Körper anrichtet.

Beim profitgierigen Pharmariesen, der sich eine der teuersten Kanzleien Zürichs leistet, weist man die Schuld natürlich von sich – fertig ist das vielbemühte Tatort-Feindbild, das auch schon im Frankfurter Tatort Wo ist Max Gravert?, im Konstanzer Tatort Letzte Tage oder zuletzt im Wiener Tatort Krank gezeichnet wurde. Da wird sich in der Chefetage hinter Glasfassaden mit japanischem Whisky zugeprostet. Und da dauert es auch nicht lang, bis sich die kapitalismuskritische Ott an den Besserverdienern der Stadt abarbeitet – etwa im Anschluss an eine Befragung auf dem Parkplatz der Kanzlei, auf dem erwartungsgemäß keine spritsparenden Kleinwagen stehen.


OTT:
Wenn ich die Karren da sehe, könnte ich kotzen.


Schon zu diesem frühen Zeitpunkt lässt sich erahnen, dass auch die Auflösung der altbackenen Whodunit-Konstruktion über die Firma der ebenso aufbrausenden wie überzeichneten Kanzleichefin Martina Widmer (Therese Affolter, Kein Entkommen) führt: Einleitend wird ihre Spitzenanwältin Corinne Perrault (Sabine Timoteo, Borowski und der gute Mensch) durch einen Insulinschock ins Jenseits befördert. Perrault hatte herausgefunden, dass bei Argon nicht alles mit rechten Dingen zugeht, und war durch die Schweigepflicht in Gewissensnöte geraten.

Die Drehbuchautorinnen Nina Vukovic und Stefanie Veith, die auch schon den schwachen Schweizer Vorgänger Schattenkinder konzipierten, machen leider wenig aus dieser Grundidee, denn in Risiken mit Nebenwirkungen passiert fast nichts, was man nicht schon in hunderten anderen Krimis gesehen hätte: Der einleitende Leichenfund reißt eine Kommissarin (hier: Grandjean beim Ruder-Training) aus ihrem Privatleben, es folgen routinierte Befragungen im beruflichen Umfeld des Opfers. Die lassen den Pfiff meist vermissen und plätschern spannungsarm nach dem Wo-waren-Sie-gestern-Abend- und Hatte-das-Opfer-Feinde-Prinzip vor sich hin.

Das ist zu wenig, denn die Filmemacher liefern nur Abziehbilder des Bösen und tauchen kaum in die Tiefe ab: In hölzernen Gesprächen mit Verdächtigen hagelt es Plattitüden, bei Publikumsveranstaltungen des Pharmakonzerns regnet es Worthülsen vom Rednerpult. Das Opfer hat praktischerweise eine Art Videotagebuch geführt. Und im Präsidium prahlt der nerdige IT-Assistent Noah Löwenherz (Aaron Arens) mit einem witzlosen Stimmenimitator, der sich wenig überraschend als später Trumpf entpuppt, bis dahin aber nur Fremdscham und Awkward-Momente auslöst. Auch Grandjeans französische Rap-Einlagen wirken eher bemüht als lässig.

Das Lokalkolorit ist im Film, der wie Schattenkinder während der Corona-Pandemie unter Regie von Christine Repond gedreht wurde, indes vor allem optischer Natur: Der Krimi spielt vor allem im Präsidium, in der prunkvollen Kanzlei und in der Universitätsklinik Balgrist – alles Orte, die in ähnlicher Form auch in jeder anderen Stadt stehen könnten. Visuell zusammengehalten werden diese Locations einmal mehr von den für den Tatort der Eidgenossen so typischen Helikopter-Panoramen, die die winterliche Stadt am Zürisee zwar in all ihrer Pracht einfangen, sich aber sehr beliebig anfühlen.

Der 1208. Tatort gestaltet sich damit so durchgeplant wie eine PowerPoint-Präsentation, in der schicke Kameraflüge und Tessa Otts Fahrradfahren die Folienübergänge bilden, ansonsten aber nichts aus dem Rahmen fällt. Zumindest die Auflösung der Täterfrage halten die Filmemacher aber erfreulich lange offen. So kommen wenigstens Krimi-Puristen auf ihre Kosten, und die werden auch über die steife Synchro hinwegsehen können, die diesen Zürcher Tatort im deutschen Fernsehen einmal mehr zu einer auffallend künstlichen Angelegenheit macht.

Bewertung: 4/10


🔍 So war der Vorgänger: Kritik zum Odenthal-Tatort "Das Verhör"

27 Kommentare:

  1. Was war mit dem Ton los ? Auf- und abschwillen... permante Untermalung. Das war sehr nervig und hat von der Handlung abgelengt, Schade

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  2. Die Autoren haben keinerlei Ahnung von der Durchführung Klinischer Studien. Armselige Effekthascherei!

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  3. Na ja, das nur das nach vorne gepuscht wird was auch Geld bringt ist ja bekannt. Aber was mich stört, ist die Lobby von den Tabakfirmen.
    Muss im TV so viel geraucht werden?
    Soviel dazu das Tabakwerbung verboten ist.
    Ach ja Prost!!!!!

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  4. Boah......endlich vorbei

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  5. Einer der langweiligsten Tatort Folgen der letzten Jahre!! Musste man sich nicht anschauen,einfach grausam.

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  6. Leider nicht so überzeugend. Schade ☹️

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  7. Einen langweiligeren Tatort habe ich noch nie gesehen, schade um die Zeit.
    Den Fehler, mir so einen Mumpitz bis zum Ende anzuschauen werde ich sicher nicht mehr machen.

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  8. Stimmt, dass die Synchro mank lief. Thema wenig originel, Darstellung nicht überzeugend. Ende sehr blöd. Schade! Hoffentlich besser nächsten Sonntag.

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  9. Die beiden Protagonistinnen Grandjean und Ott überzeugen einmal mehr nicht wirklich, liegt vielleicht auch am eher langweiligen Plot bzw. Drehbuch. Immer wieder gebe ich dem Team eine Chance und werde (leider) meist enttäuscht. 3/10 Pkt.

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  10. Gemessen an dem, was Tatorte derzeit so im Schnitt abliefern, war dieser durchschnittlich: zwei Morde und ein versuchter von drei verschiedenen Tätern aus drei verschiedenen Motiven, von denen der letzte wie zu erwarten durch den heldenhaften Einsatz der Protagonist:Innen verhindert wurde, was ich als Zuschauer:In eher bedauerlich fand. Ich finde, ein Krimi kann auch dann mal traurig enden, wenn nicht gerade ein:e Hauptdarsteller:In die Serie verlassen will.

    Immerhin, eine interessante Variation über das aktuelle Trend-Thema Femizid: alle drei Opfer waren weiblich, zwei der Täter männlich, aber keine der Taten geschah nur deshalb, weil die Frau eben eine Frau war, sondern weil aus Sicht der jeweils Handelnden gute Gründe für die Tötung bestanden, die ich als Zuschauer:In unabhängig vom Geschlecht nachvollziehen (aber in keinem Fall gutheißen) konnte. Manchmal führen einen eben selbst Geld undSperma in die Irre.

    Wenn da nur nicht diese öden weil offenbar unvermeidlichen Ermittlungsmethoden wären: Protagonist:In 1 lenkt irgendwen ab, damit Protagonist:In 2 sich gegen den erklärten Willen desder Wohnungsinhaber:In in derselben umsehen kann; oder nur vage verdächtige Personen werden mit abstrusen Theorien über Motive und Tathergänge "unter Druck gesetzt", weil ja die Unschuldsvermutung heute nichts mehr gilt, wenn das Ermittlerteam ein Gefühl oder nur den Willen zur Verurteilung hat, was dann auch die übelsten Unterstellungen rechtfertigt.

    Ich bin mir nicht sicher, ob Tatort heutzutage Realität beschreiben, gestalten oder vergessen machen will; aber ich bin mir für meinen Teil sicher, das ihm zumeist nichts davon gelingt. Aber ich habe mich schon ärger geärgert; insofern finde ich 4/10 eine korrekte Wertung ...

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  11. So ein scheiss, eine Kommissarin selbst mit seelischen Problemen, die andere wie unlogisch fährt mit dem Fahrrad. Un professionell ohne gleichen . Ne das war nix .
    Total langweilig.

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    1. Soviel zum Fahrrad: Thiel in Münster fährt auch eines - und der Münster-Tatort verkommt langsam zum Kasperltheater. Insofern war der Zürcher Tatort sogar besser als Börne und Co!

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  12. Gute Story, stimmunsvolle Bilder. Mir hats gefallen.

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  13. Ermittler ohne Charisma, eine vorhersehbare Story voller Klischees und eine grauenhafte Übersetzung machen diesen Fall zu einer weiteren Enttäuschung der Reihe. Der Zürich Tatort bleibt weiter den Beweis seiner Berücksichtigung schuldig.

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  14. Was war das denn? Dieser Tatort war das Gegenteil von spannend. Ein sinnloser Moment reihte sich an den nächsten. Der Ton war eine Katastrophe. Die Dialoge hätte jeder 5. Klässler besser schreiben können. Das tut ja weh sich sowas anzuschaun. Nicht nur, aber auch, weil man Gebühren dafür zahlt.

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  15. Langweilige Handlung, holzschnittartige Charaktere, banale Dialoge; das einzige, womit dieser Tatort überraschen konnte, war der zweite Mord ...

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  16. Peinlich wenn die Kanzleichefin innerhalb 5 Minuten eine andere Frisur hat ! Passt aber zur dilettantischen Regie

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  17. Für einfache Gemüter war der Quatsch vielleicht noch akzeptabel, aber wer gedacht hat dass er einen halbwegs interessanten Tatort zu sehen bekommt, wurde sicher enttäuscht.

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  18. so bitte nicht, einfach nur langweilig

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  19. Polizistin mit Velo zu den Orten, geht gar nicht, bräuchte viel zuviel Zeit und ist unglaubwürdug. (GLEICHE scheiss bei Tiel...) Und wie hat wohl die alte Anwältin die Ermordete die steile Treppe im Boot hoch gebracht und über Bord geworfen?

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    1. In Zürich City ist Fahrrad mit Abstand das schnellste Verkehrsmittel. Am Hang (bei der Uni) ist man eventuell sogar zu Fuss noch schneller als mit dem Rad.

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  20. Ich war leider auch sehr enttäuscht. Die 2 Kommissarinnen hatten irgendwie eine nervende Art an sich. Der Charme fehlt mir komplett.

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  21. Mir hat der Tatort gut gefallen, die zwei
    Kommissarinnen haben ihre Rolle sehr gut
    Gespielt.

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  22. Endlich mal der erhoffte Durchbruch des Teams aus Zürich. Das war ein sehr spannender Tatort mit sehr guten schauspielerischen Leistungen und tollen Bildern von Zürich und Umgebung. Das erste Mal, dass ein Tatort aus Zürich packend war, bitte weiter so.

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  23. Das schönste an diesem Filmchen ist, dass man sich die Schlaftabletten komplett sparen kann. Man schläft schon vor dem Ende tief und fest.

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