Adams Alptraum

Folge: 897 | 26. Januar 2014 | Sender: SR | Regie: Hannu Salonen
Bild: SR/Manuela Meyer
So war der Tatort:

Alptraumhaft – doch anders als zuvor nicht für das Fernsehpublikum, sondern für einen vermeintlich pädophilen Schwimmtrainer.

Reichlich Spott und scharfe Kritik hatte es für die ersten zwei Tatort-Folgen mit Jens Stellbrink (Devid Striesow) und Lisa Marx (Elisabeth Brück) gehagelt: Schon das Debüt Melinda ging in die Hose und wurde vom peinlichen Totalausfall Eine Handvoll Paradies sogar noch unterboten. Ein dritter Rohrkrepierer in Folge bleibt den Zuschauern erspart: Schon vor Monaten ließ sich erahnen, dass sich der federführende Saarländische Rundfunk die vernichtende Kritik von Presse und Publikum zu Herzen genommen hat.

Tatort-Redakteur Christian Bauer kündigte "Justierungen" an, die uns Schauspielerin Sandra Steinbach – zum dritten Mal als unterkühlte Staatsanwältin Nicole Dubois zu sehen – im Interview bestätigte. Sie halten Wort: Adams Alptraum ist nicht ansatzweise so klamauklastig wie die beiden Vorgänger – was auch daran liegt, dass sich die Drehbuchautoren Lars Montag und Dirk Kämper für große Zugeständnisse an die gängigen Tatort-Konventionen entscheiden und sich ein für Ironie denkbar ungeeignetes Thema vorknöpfen: Kindesmissbrauch.

Schwimmtrainer Sven Haasberger (Markus Hoffmann) gerät in den Verdacht, sich seinen Schülern unsittlich genähert zu haben und wird daraufhin von einer vermummten Flashmob-Meute in der Saarbrücker Innenstadt fast totgeprügelt. Ein Schwimmtrainer? Stimmt, da war ja was: Bereits 2002 arbeitete im Tatort ein Pädophiler am Beckenrand – im schwachen Odenthal-Krimi Schrott und Totschlag, der dank hanebüchener Zufälle und unerträglicher Stereotypen zum Ärgernis geriet.

Das ist Adams Alptraum selten: Regisseur Hannu Salonen, der mit Verschleppt den spannendsten Saarbrücker Tatort aller Zeiten inszenierte und zum dritten Mal in Folge am Ruder sitzt, stellt nach den letzten Fehlschlägen unter Beweis, dass ihm ein atmosphärisch dichter und spannender Krimi vielleicht eher liegt als ein Feuerwerk der Absurditäten. 

Die Balance zwischen Komik und Tragik ist stimmig, Stellbrink – stark vor allem die Szenen mit dem geistig behinderten Finn (Daniel Neu) – wirkt geerdeter und auch die übrigen Figuren werden weit weniger überzeichnet als in Melinda und Eine Handvoll Paradies. Einzig Eisblock Marx (Stellbrink: "Deswegen heißt du bei den Kollegen ja auch Mrs. Spock: wegen dem Stock.") stagniert als unterkühltes Anhängsel, das kein einziges Lächeln über die Lippen bringt und dem älteren Publikum den Begriff "Flashmob" erklären muss.

Der übereifrige Spurensicherungsleiter Horst Jordan (Hartmut Volle) leistet wertvolle Helferdienste, Margot Müller (Silvia Bervingas) feiert ein sympathisches Kurz-Comeback und Staatsanwältin Dubois hält sich spürbar mit nervtötenden Störfeuern zurück. 

Das doppelbödige Verwirrspiel um Kindesmissbrauch, Vorverurteilung und die Gefahren anonymer Chaträume gerät zwar etwas unübersichtlich und wird am Ende hölzern rekapituliert, dank modernem CSI-Look und auffallend blaustichigen Bildern aber zumindest ansprechend inszeniert. 

Und beim starken Showdown darf sogar richtig mitgefiebert werden, weil Ex-Chaos-Cop Stellbrink sich bei einer Fahrt im Linienbus selbst als Lockvogel zur Verfügung stellt. Dass einer der Täter in Zeiten von boomendem Internethandel anhand verrauschter Bilder seiner ausgefallenen Turnschuhe identifiziert wird – geschenkt. Denn der dritte Tatort mit Stellbrink und Marx ist ein großer Schritt in die richtige Richtung, dem gern der nächste folgen darf.

Bewertung: 6/10

Todesspiel

Folge: 896 | 19. Januar 2014 | Sender: SWR | Regie: Jürgen Bretzinger
Bild: SWR/Stephanie Schweigert
So war der Tatort:

Kostspielig.

Zumindest für Hauptkommissar Kai Perlmann (Sebastian Bezzel): Der schleust sich in Todesspiel undercover in eine Clique der Schönen, Reichen und Leichen ein – und bleibt nach einem feuchtfröhlichen Champagnerabend prompt auf seiner vierstelligen Spesenrechnung sitzen.

Immerhin: Neben dem Spott seiner Kollegin Klara Blum (Eva Mattes) und seiner Assistentin Annika "Beckchen" Beck (Justine Hauer) bringt Perlmann die Begegnung mit der ahnungslosen Boutiquenbesitzerin Nadine (Alexandra Finder, Schweinegeld), die ihn in die dekadente Clique um Mordopfer und Enfant Terrible Benjamin Wolters (Michael Pink, Der illegale Tod) einschleust, zumindest ein paar Komplimente ein.

Der Tatort aus Konstanz macht also genau da weiter, wo er im Juni 2013 aufgehört hat: Bereits in Letzte Tage durfte der blonde Kommissar beim weiblichen Geschlecht auf Tuchfühlung gehen – das Ergebnis war eine spannungsfreie, dramaturgisch vollkommen verkorkste Krimischmonzette, bei der man am Ende fast froh sein konnte, dass Perlmann und die leukämiekranke Studentin Mia (Natalia Christina Rudziewicz, Abgezockt) wieder getrennte Wege gingen.

Ganz so seicht und langatmig geht es diesmal zwar nicht zur Sache – doch vor allem im Vergleich zum hochspannenden Kölner Vorgänger Franziska, der zwei Wochen vor der Todesspiel-Ausstrahlung ein Millionenpublikum um den Schlaf brachte, zeigt sich einmal mehr, dass der Tatort vom Bodensee im Jahr 2014 zu den gemächlichsten der Krimireihe zählt und der SWR offenbar nicht gewillt ist, ihn von diesem Image zu emanzipieren. Im Gegenteil: Allen russischen Roulette-Einlagen zum Trotz wäre der Krimititel Trauerspiel für den 896. Tatort der deutlich treffendere.

Regisseur Jürgen Bretzinger (Schmuggler) und Drehbuchautor Leo P. Ard (Das erste Opfer) bieten die perfekte Einschlafhilfe für den Sonntagabend: Die Inszenierung ist einfallslos und bieder, die Dialoge sind harmlos bis grauenhaft und knisternde Spannungsmomente schlichtweg nicht vorhanden. Erst in den Schlussminuten (vorausgesetzt, der Zuschauer ist bis dahin wach geblieben) kommt das zähe Todesspiel ein wenig auf Touren, doch für einen guten Krimi ist es da längst zu spät.

Hinzu kommt eine Vorhersehbarkeit, die exemplarisch für so manches Drehbuch der Reihe steht: Wenn eine verdächtige Person gebürtig vom Balkan stammt – man denke zurück an den mäßigen letzten Wiesbadener Tatort Schwindelfrei – dann blickt sie im Tatort immer auf eine bewegte Vergangenheit zurück und hat garantiert Dreck am Stecken. Warum sollte die Abstammung von Alisa (Anna Bederke, Der Weg ins Paradies), die das Mordopfer beim Sexspiel zurückwies, wohl sonst eine Rolle spielen?

So bleibt außer eines charismatischen Auftritts des ehemaligen Frankfurter Staatsanwalts Thomas Balou Martin (Das Böse) und ein paar launigen Perlmann-Kommentaren am Ende wenig Positives in Erinnerung – schon gar nicht das bemühte Dauergefoppe auf dem Präsidium, bei dem man den sympathischen Ermittler am liebsten persönlich von seinen nervtötenden Kolleginnen erlösen und in ein anderes Revier versetzen würde.

Und dann ist da noch der bedauernswerte Sänger und naive Casting-Show-Zweite Daniel (Daniel Roesner, Der Polizistinnenmörder), der seinen heimlichen Fan "Beckchen" natürlich schon bei der ersten Begegnung zum Schmachten bringt: Müder als die Weisheiten des naiven Teenieschwarms, der von der Requisite fast über die komplette Spielzeit zum Tragen eines schwarzen Klischeehuts genötigt wird, können Seitenhiebe auf das Showbiz kaum ausfallen.


DANIEL:
Der Traum, dass ich ein großer Star werde, war nach einem Jahr wieder ausgeträumt.


Sag bloß.

Bewertung: 3/10

Franziska

Folge: 895 | 5. Januar 2014 | Sender: WDR | Regie: Dror Zahavi
Bild: WDR/Martin Valentin Menke
So war der Tatort:

Für die Jugend verboten – und daher verbannt auf 22 Uhr und um ein halbes Jahr verschoben

Ursprünglich sollte Franziska bereits im Juni 2013 zur gewohnten Sendezeit über die deutschen Mattscheiben flimmern – doch dann intervenierten die Sittenwächter der ARD und verweigerten dem 58. gemeinsamen Einsatz der Kölner Hauptkommissare Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) aus Jugendschutzgründen die Freigabe für die Prime Time. 

Ein Tatort im Spätprogramm – das gab es zwar schon 1980 (Der gelbe Unterrock) und 1998 (Ein Hauch von Hollywood), doch ganz einleuchten will diese Maßnahme nicht: Franziska ist zwar hart, für Tatort-Verhältnisse sogar sehr hart, aber angesichts zurückliegender Folgen wie dem alptraumhaften Meilenstein Verschleppt oder der kaum minder brutalen Wiener Milieustudie Angezählt weit davon entfernt, den Bogen in Sachen Gewalt zu überspannen. 

Der späte Sendetermin ist im Übrigen gleich doppelt ärgerlich: Wer als Frühaufsteher nach dem direkt davor ausgestrahlten Der Eskimo das wohlverdiente Bett aufsucht, hat den schlechteren Krimi gesehen und ausgerechnet den besten Kölner Tatort seit Jahren verpasst. Franziska ist nämlich ein fesselndes, nicht eine Sekunde langweiliges Kammerspiel, ein fiebriges Psychoduell auf engstem Raum, das Tessa Mittelstaedt bei ihrem letzten Auftritt als titelgebende Franziska Lüttgenjohann endlich Gelegenheit gibt, ihr schauspielerisches Potenzial in die Waagschale zu werfen und sich von ihrer eindimensionalen Rolle als männerverschleißende Überstundenrekordlerin zu emanzipieren.

Die treue Bürokraft und ehrenamtliche Bewährungshelferin, die in der Kölner JVA von Häftling Daniel Kehl (stark: Hinnerk Schönemann, Ausweglos) als Geisel genommen wird, trägt bei ihrem dramatischen Tatort-Abschied fast über die komplette Spielzeit einen scharfen Kabelbinder um den Hals, der einen SEK-Einsatz im Besucherraum der Haftanstalt ungemein riskant macht: Selbst wenn der Zugriff gelingt, tendieren die Überlebenschancen der Kriminalassistentin gen Null, sollte Kehl die Kehlenschlinge mit letzter Kraft zuziehen. 

Nur einer von vielen cleveren Einfällen von Drehbuchautor Jürgen Werner (Eine andere Welt), die Regisseur Dror Zahavi (Auf ewig Dein) hochspannend in Szene setzt und den 895. Tatort so bis zum dramatischen Showdown zu einer buchstäblich fesselnden und extrem unterhaltsamen Angelegenheit macht. Dass Franziska dabei auch zum traditionellen Miträtseln geeignet ist, liegt an einer gekonnten Parallelkonstruktion: Während Ballauf ("A wie Arschloch, L wie Lahmarsch...") und Schenk in einem Wettlauf gegen die Zeit nach dem Mörder von Kehls Mithäftling Sergej Rowitsch (Dimitri Bilov, Spargelzeit) suchen, zieht sich die Schlinge um Franziskas Hals immer enger zu.

Erst bei der finalen Zusammenführung der beiden Handlungsstränge schwächelt der Film: Just in dem Moment nämlich, in dem Ballauf und Schenk das entscheidende Puzzleteil finden, nimmt auch die erbitterte Auseinandersetzung im Besucherraum eine zu diesem späten Zeitpunkt sehr konstruiert wirkende Wende. 

Der dramatische Showdown, bei dem die Auflösung der omnipräsenten Frage "Stirbt sie oder stirbt sie nicht?" endlich beantwortet wird, läuft fast komplett in Zeitlupe ab und wird in der letzten Szene durch schmalzige Worte auf dem Präsidium abgemildert. Hier wäre weniger mehr gewesen – doch auch so ist Franziska das Wachbleiben wert und ein würdiger Abschied für Tessa Mittelstaedt, die über dreizehn Jahre lang eine feste Größe in der Domstadt war.

Bewertung: 8/10

Der Eskimo

Folge: 894 | 5. Januar 2014 | Sender: HR | Regie: Achim von Borries
Bild: HR/Bettina Müller
So war der Tatort:

Meyfrei.

Dass beim Tatort die besten Ermittler nicht immer zuletzt gehen, ist spätestens seit dem Abschied des großartigen Hamburger Undercover-Ermittlers Cenk Batu (Mehmet Kurtulus, Der Weg ins Paradies) bekannt – und auch Nina Kunzendorf (Der Tote im Nachtzug), die Frankfurt in den letzten Jahren als Hauptkommissarin Conny Mey aufmischte, strich nach ihrem letzten Auftritt in Wer das Schweigen bricht viel zu früh die Segel.

Kurz darauf gab auch Kunzendorfs Tatort-Partner Joachim Król seinen Ausstieg bekannt – doch anders als seine Kollegin bleibt der Charakterdarsteller der Krimireihe zumindest noch für zwei weitere Folgen als Hauptkommissar Frank Steier erhalten.

Ein Solo-Auftritt ist sein sechster Einsatz deshalb noch lange nicht: Der Hessische Rundfunk, der mit Wolfram Koch und Margarita Broich bereits das Frankfurter Nachfolgeteam bekannt gegeben hat, stellt ihm für Der Eskimo einmalig Alwara Höfels (Alles hat seinen Preis) zur Seite, die Kunzendorfs Abschied als nassforsche Kriminalkommissarsanwärterin Linda Dräger zumindest ein Stück weit auffangen und dem giftigen Steier ("Was machen Sie hier eigentlich? Schülerpraktikum?") Paroli bieten soll.

Die Betonung liegt auf soll – denn anders als ihre toughe Vorgängerin bewegt sie sich bei den zahlreichen Streitgesprächen eher selten auf Augenhöhe mit dem cholerischen Alki-Kommissar. An Höfels' schauspielerischen Qualitäten liegt das freilich nicht: Das Drehbuch von Achim von Borries (Wie einst Lilly), der auch Regie führt, und Hendrik Handloegten (Der tote Chinese) ist nun mal stark auf den verkaterten Kommissar zugeschnitten, der nach einer durchzechten Nacht auf einer Parkbank aufwacht und kurz darauf Zeuge eines Mordes wird.

Schon Steiers kläglich scheiternde Verfolgung der Täterin offenbart, dass Der Eskimo als Trinkerdrama deutlich besser funktioniert als als Sonntagskrimi zum Miträtseln: Der wirre Kriminalfall, zu dessen Auflösung die Ermittler den Text von Manfred Manns Evergreen Mighty Quinn auseinander pflücken, wäre in einem Science-Fiction-Film aus Hollywood deutlich besser aufgehoben als in einem Fadenkreuzkrimi.

Amerikanische Elite-Soldaten und Alien-DNA in einem Tatort? Kaum zu glauben. Da nützt es wenig, dass Dräger über diesen hanebüchenen Handlungsstrang – der Ludwigshafener Kult-Tatort Tod im All lässt grüßen – witzelt und die Gedanken vieler Fernsehzuschauer unfreiwillig auf den Punkt bringt.

Während die krude Militärgeschichte aber zumindest frischen Wind in die Krimireihe bringt, ist im 894. Tatort ansonsten alles genau so angelegt, wie man es erwartet: Das emotional aufgeladene Wiedersehen mit Steiers Ex-Frau Jutta (Jenny Schily), das ein paar starke Szenen beim gemeinsamen Lieblingsitaliener mit sich bringt, ist natürlich kein Zufall, sondern eng mit der früh vorhersehbaren Auflösung der Täterfrage verknüpft.

Während sich dem Zuschauer spätestens nach einer Dreiviertelstunde überdeutlich offenbart, was es mit der Joggerin, Juttas deutlich jüngerem Lover Lars (Volker Bruch, Unbestechlich) und der verschwundenen Transe aus der Nachbarwohnung des zweiten Opfers auf sich hat, tappen Steier und Dräger jedoch eine halbe Ewigkeit im Dunkeln: So wirkt auch der spannend arrangierte Showdown recht konstruiert.

Króls sechster Einsatz in Frankfurt ist zwar kein wirklich schwacher, aber sein bisher schwächster - nach bis dato vielen starken Auftritten ist ihm in seinem letzten Tatort Das Haus am Ende der Straße aber wieder ein besseres Drehbuch vergönnt.

Bewertung: 5/10

Türkischer Honig

Folge: 893 | 1. Januar 2014 | Sender: MDR | Regie: Claudia Hartmann
Bild: MDR/Andreas Wünschirs
So war der Tatort:

Halbschwesterlich.

Fast zweieinhalb Jahre liegt der Leipziger Tatort Nasse Sachen mittlerweile zurück und gipfelte einst in einem bemerkenswerten Finale: Hauptkommissarin Eva Saalfeld (Simone Thomalla) brachte im Juni 2011 nicht irgendeinen Mörder hinter Schloss und Riegel, sondern ihren eigenen Vater Horst (Günter Junghans, Krumme Hunde).

Den trifft sie in Türkischer Honig nun im Besuchsraum der Haftanstalt wieder, doch damit nicht genug: Auch Saalfelds bis dato unbekannte Halbschwester Julia (Josefine Preuß, Die Unmöglichkeit, sich den Tod vorzustellen) meldet sich aus heiterem Himmel bei der Kommissarin und wird Sekunden später auf offener Straße entführt. Hoppla! 

Weil sie aber schon kurze Zeit später wieder auftaucht – krimierfahrene Zuschauer ahnen früh, warum – bleibt noch reichlich Zeit für halbschwesterliche Kontroversen: Eva und Julia kennen sich zwar eigentlich gar nicht, streiten und schluchzen sich aber trotzdem durch den Film, werfen sich gegenseitig die Versäumnisse der letzten Jahre vor und bremsen den Kriminalfall um den ermordeten türkischen Kredithai Abdul Günes (Mohammad-Ali Behboudi, Wer das Schweigen bricht) damit immer wieder aus. 

Einmal mehr offenbart sich dabei, dass facettenreiches Mienenspiel nicht unbedingt zu Simone Thomallas Stärken zählt: Die Gefängnisszene mit ihrem verhassten Vater ist enttäuschend, und in den zahlreichen Streitgesprächen spielt Josefine Preuß ihre ältere Schauspielkollegin ein ums andere Mal an die Wand. Spaß macht da schon eher Kollege Andreas Keppler (Martin Wuttke), der in markigen Wortgefechten mit dem türkischen Bilderbuch-Kleinkriminellen Ergol Günes (Denis Moschitto, Hochzeitsnacht) sein Revier markiert.

Was die Annäherung an die türkische Kultur angeht, liefert der 893. Tatort aber kaum mehr als Altbekanntes und müde Klischees: Aha, beim Türken gibt es Mokka, Tee und leckeres Gebäck, und während die erste Zuwandergeneration noch fest im Islam verwurzelt ist und täglich gen Mekka betet, brausen die ungläubigen Nachkommen mit Zuhälterkarre und offenem Verdeck zu orientalischen Klängen durch die Leipziger Innenstadt – ganz so, wie es ihnen Saalfeld und Keppler in einer furchtbar witzlosen Sequenz gleich tun.

Drehbuchautor Andreas Pflüger (Die fette Hoppe) hätte gut daran getan, nicht auch noch Kriminalassistent Wolfgang Menzel (Maxim Mehmet), der nach der fast freundschaftlichen Annäherung im letzten Leipziger Tatort Die Wahrheit stirbt zuerst plötzlich wieder auf Kriegsfuß mit Keppler steht, einen türkischen Vater anzudichten: Menzel bietet seinem Vorgesetzten orientalische Teigröllchen an wie Sauerbier und wird sogar zu radebrechendem Türkisch genötigt. Das ist Völkerverständigung mit der Brechstange und macht den ansonsten soliden und durchaus spannenden Fadenkreuzkrimi immer wieder zum Ärgernis.

Immerhin: Die Auflösung fällt knifflig aus, weil sich drei bis vier Verdächtige gleichermaßen stark als Täter aufdrängen und erst in den Schlussminuten Licht ins Dunkel kommt. Für einen guten Tatort ist es da längst zu spät: Türkischer Honig ist gerade im Vorgleich zur bärenstarken Vorwoche mit Die fette Hoppe und Borowski und der Engel ein enttäuschender Auftakt ins Tatort-Jahr 2014.

Bewertung: 4/10