Rabenherz

Folge: 719 | 25. Januar 2009 | Sender: WDR | Regie: Torsten C. Fischer
Bild: WDR/Willi Weber
So war der Tatort:

Stationär.

Denn der 42. Fall für die Hauptkommissare Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) spielt fast ausschließlich in einem Kölner Krankenhaus – genauer gesagt in der Onkologie und auf der Geburtsstation, auf der der engagierte Chefarzt Hermann Johns (Benno Ifland, Schmutzarbeit) nach einer Geburtstagfeier im Kollegenkreis mit Gift im Tee ermordet und tot aufgefunden wird.

Grund genug für Freddy Schenk, sich in weiße Krankenpfleger-Montur zu werfen, in weiße Birkenstock-Schlappen zu schlüpfen und ein Praktikum auf der Krankenstation unter Führung von Stationsleiterin Monika Scharrer (Petra Kleinert, Frau Bu lacht) zu absolvieren: Der Kommissar und Fußballfan hat eine Karte für das Länderspiel zwischen Deutschland und den Niederlanden ergattert und will den Fall daher möglichst binnen drei Tagen aufklären.

Ausgestattet mit einem Generalschlüssel mischt sich Schenk unters Personal, wischt Fußböden und überprüft Haltbarkeitsdaten – und entführt uns in einen Mikrokosmos, den viele von uns wohl am liebsten nie betreten würden. Auch Ballauf hat eine Abneigung gegen Krankenhäuser, aus der er keinen Hehl macht, und leidet zugleich unter Magenproblemen, die er gegenüber Schenk und Assistentin Franziska Lüttgenjohann (Tessa Mittelstaedt) verharmlost. Der Kölner Tatort wäre schließlich nicht der Kölner Tatort, wenn er seinen thematischen Schwerpunkt nicht auch irgendwie im Privatleben der Kommissare spiegeln würde.


BALLAUF:
Das war schon wieder besser. Thema durch, ja? Können wir jetzt mal über was Anderes reden?

SCHENK:
Magen, Magen, Magen, Magen, Magen, Magen, Magen!


Realistisch ist das Szenario, das Drehbuchautor Markus Busch (Feuerteufel) entwirft, unterm Strich allerdings nicht: Ein Kommissar, der als Praktikant im Krankenhaus anheuert und dort sogar die Patienten versorgen darf, mutet doch reichlich konstruiert an. Schenks Ausflug gestaltet sich aber erwartungsgemäß sehr kurzweilig und bietet die Gelegenheit für humorvolle Zwischentöne – etwa dann, wenn der Kommissar von seinen neuen Kollegen unter einem Vorwurf in den Keller gelockt und dort im Dunkeln hinters Licht geführt wird.

Unter überzeugender Regie von Torsten C. Fischer (Nachtgeflüster) bleiben diese heiteren Momente aber die Ausnahme: Rabenherz ist ein sehr ruhiger, sehr stimmungsvoll inszenierter und stellenweise sogar mystisch angehauchter Tatort, der erfreulicherweise – und das ist in einem Beitrag aus Köln ja durchaus zu befürchten – nicht zur Generalabrechnung mit dem Pflegenotstand und der Überlastung des deutschen Klinikpersonals gerät. Die Kritik wird zwar formuliert und wir verstehen die klare Botschaft, doch sie erdrückt das Krimidrama nicht.

Dadurch bleibt mehr Raum für die Person, um die sich in diesem Tatort alles dreht: Die streng katholisch lebende, psychisch labile Krankenpflegerin Maria Everbeck (Anna Maria Mühe, Pauline) vertraut sich Schenk an und weiht diesen auch in ihren Glauben ein, durch das Auflegen ihrer Hand den Schmerz im Körper eines Menschen spüren und womöglich heilen zu können. Mühe spielt die junge Everbeck wahnsinnig vereinnahmend und zugleich geheimnisvoll – sie ist der Star dieser Tatort-Folge und stellt auch den späteren Magdeburger Polizeiruf-110-Kommissar Matthias Matschke (Borowski und der vierte Mann), der in einer Nebenrolle als Krankenhauspsychologe August Neumann zu sehen ist, mühelos in den Schatten.

Der starke Fokus auf Everbeck führt aber zugleich zu extremer Vorhersehbarkeit: Der Kreis der Verdächtigen gestaltet sich in der klassischen Whodunit-Konstruktion ohnehin schon sehr überschaubar, weil außer Neumann und Everbeck praktisch kein Angestellter des Krankenhauses näher beleuchtet wird. Erfahrene Tatort-Zuschauer dürften die Auflösung der Täterfrage in Rekordzeit erahnen. Denn auch das Privatleben des Opfers bleibt außen vor: Die Filmemacher ziehen den Mikrokosmos Klinik bis zum Schluss konsequent durch, nennenswerte Einflüsse von Außen werden nicht thematisiert.

Rabenherz ist unterm Strich dennoch eine gelungene Folge aus der Domstadt: Neben Mühes überragender Performance besticht das Krimidrama mit einer zweifellos konstruierten, aber sehr reizvollen Geschichte, in die sich keine einzige Minute Leerlauf einschleicht. Und für Stammzuschauer gibt es noch eine Anspielung auf die Tatort-Kollegen aus Westfalen zu entdecken, denen Ballauf und Schenk in Der doppelte Lott in Person von Professor Karl-Friedrich Boerne ja schon einmal begegnen durften.


EVERBECK:
Ich komme von so einem kleinen Ort bei Münster: Telgte. Kennen Sie das?

SCHENK:
Kann sein. Mal gehört, ja.

EVERBECK:
Aber Sie sind doch Polizist, oder?

SCHENK:
Doch. Aber Münster? Für die Gegend bin ich nicht zuständig.


Bewertung: 7/10

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