Borowski und das Land zwischen den Meeren

Folge: 1049 | 25. Februar 2018 | Sender: NDR | Regie: Sven Bohse
Bild: NDR/Christine Schroeder
So war der Tatort:

Sagenhaft.

Denn in Borowski und das Land zwischen den Meeren verarbeitet Regisseur Sven Bohse, der das Drehbuch zu seinem ersten Tatort gemeinsam mit Peter Bender und Ben Braeunlich (Echolot) schrieb, die Sage um die nordfriesische Insel Rungholt: Deren Bewohner führten vor vielen hundert Jahren der Legende nach ein gotteslästerliches Leben und wurden mit einer schrecklichen Sturmflut vom Herrn bestraft. Einige Bauern füllten eine Sau bei einem Trinkgelage mit Schnaps ab und nötigten den Pfarrer dazu, dem betrunkenen Schwein die letzte Ölung zu geben – und während der Geistliche sich noch in Sicherheit bringen konnte, wurde die Insel restlos überschwemmt (und taucht angeblich alle sieben Jahre in der Johannisnacht unversehrt wieder auf). Auch die Glocken der Rungholter Kirche sollen bis heute unter der Wasseroberfläche zu hören sein.

Was nach einem düsteren Nordsee-Krimi mit Mystery-Anleihen klingt, bestätigt sich bei genauerer Betrachtung als eben solcher: Der Kieler Hauptkommissar Klaus Borowski (Axel Milberg) wird von seinem Chef Roland Schladitz (Thomas Kügel) auf die fiktive nordfriesische Insel Suunholt geschickt und soll dort den Mord an Oliver Teuber (Beat Marti, Vielleicht) aufklären, den seine Freundin Famke Oejen (Christiane Paul) nach einer morgendlichen Schwimmrunde im eiskalten Salzwasser tot in der Badewanne findet.

Auf Suunholt übergesetzt wird in dem Krimi, der zu großen Teilen auf Amrum gedreht wurde, standesgemäß mit der Fähre – und schon hier bekommt Borowski eine Vorahnung, dass die Uhren auf Suunholt noch etwas anders ticken.


BOROWSKI:
Haben Sie 'nen Kaffee?

KAFFEEVERKÄUFER:
Na klar. Aber nur ohne Gedöns.

BOROWSKI:
Den nehme ich.


Der 1049. Tatort hätte beim Blick auf das Figurenensemble und die Ausgangslage auch gut zu Kollegin Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) aus Hannover gepasst: Deren Einsätze kennzeichnet oft, dass die LKA-Ermittlerin von ihrem Chef in ein verschlafenes Provinznest geschickt und dort von talentfreien Dorfpolizisten unterstützt wird (vgl. Pauline).

In Borowski und das Land zwischen den Meeren liegt der Fall genauso: Das auf Suunholt zuständige Landei Maren Schütz (Anna Schimrigk, Verbrannt) ist sichtbar darum bemüht, einen einleitenden Fauxpas am Leichenfundort wiedergutzumachen. Auch die übrigen Insulaner - allen voran Gottesdienerin Margot Hilse (Heike Hanold-Lynch, Verlorene Töchter) und deren Neffe Daniel (Leonard Carow, Schwindelfrei) – werden so konservativ und misstrauisch skizziert, wie es im Niedersachsen-Tatort häufig zu beobachten ist (vgl. Hexentanz).

Dieser Griff in die Klischeekiste ist neben der Vorhersehbarkeit bei der Auflösung allerdings auch schon die einzige Schwäche in Bohses Whodunit-Konstruktion, resultiert aber auch daraus, dass sich viel um die Psyche der undurchsichtigen Oejen und Borowskis Beziehung zu der – womöglich gar buchstäblich – männermordenden Femme fatale dreht: Während der Zuschauer im Hinblick auf die Machenschaften von Schweinebauer Gunnar Iversen (Marc Zwinz, Im Schmerz geboren) und Bäcker Jens Torbrink (York Dippe, Wer bin ich?) einen Wissensvorsprung genießt, bleibt ihm Oejens Seelenleben ebenso lange ein Rätsel wie Borowski, der sich der Anziehungskraft der einsamen Hobby-Schwimmerin kaum entziehen kann.

Zusätzliche Spannung generieren die bildgewaltigen Mystery-Anleihen, in denen auch Zitate aus Theodor Storms Eine Halligfahrt verarbeitet werden: Der Kommissar begegnet am Strand gar einem Mann mit Schweinekopf, während am Horizont eine Windhose aufzieht. Auch sonst durchzieht Borowski und das Land zwischen den Meeren eine düstere Atmosphäre, zu der die nebligen Küstenaufnahmen und der dröhnende Soundtrack stimmungsvoll beitragen.

Der Kieler Ermittler scheint sich in dieser stürmischen Umgebung durchaus wohl zu fühlen und agiert bei seinem einmaligen Solo-Einsatz vor dem Amtsantritt seiner neuen Kollegin Mila Sahin (Almila Bagriacik, Debüt in Borowski und das Haus der Geister) so überzeugend, als hätte er den Verlust von Sarah Brandt (Sibel Kekilli, letzter Auftritt in Borowski und das Fest des Nordens) längst überwunden – das wiederum spricht nicht für die gestrichene Figur, über deren wenig plausible Entwicklung sich Kekilli nach ihrem Ausstieg öffentlich beklagt hatte.

In Erinnerung bleiben dafür zwei der außergewöhnlichsten Todesfälle der Tatort-Geschichte, von denen der zweite besonders grausam ausfällt und Erinnerungen an Ridley Scotts Hannibal weckt.

Bewertung: 7/10

Meta

Folge: 1048 | 18. Februar 2018 | Sender: rbb | Regie: Sebastian Marka
Bild: rbb/Reiner Bajo
So war der Tatort:

Zwiebelförmig.

Denn nicht von ungefähr beschrieb Hauptdarstellerin Meret Becker ihren siebten Fall als Hauptkommissarin Nina Rubin im Vorfeld der Erstausstrahlung als Zwiebeltatort mit mehreren SchichtenMeta sei, so ergänzte ihr Kollege Mark Waschke, eine "Film im Film im Film Geschichte". Und die Schauspieler haben absolut Recht: Regisseur Sebastian Marka (Der scheidende Schupo) und Drehbuchautor Erol Yesikaya (Alle meine Jungs) haben mit dem großartigen Münchner Tatort Die Wahrheit oder dem erstklassigen Wiesbadener Tatort Es lebe der Tod schon mehrfach Ausrufezeichen gesetzt, übertreffen ihr bisheriges gemeinsames Schaffen aber noch einmal mit Bravour.

Zwanzig Jahre nach der gescheiterten Krimisatire Ein Hauch von Hollywood, die 1998 die schlechteste Tatort-Einschaltquote aller Zeiten einfuhr, thematisieren die Filmemacher in ihrem mehrfach verschachtelten Meta-Tatort erneut eine Premiere auf der Berlinale, deren roten Teppich wir diesmal sogar zu sehen bekommen: Nina Rubin (Becker) und Robert Karow (Waschke) entdecken im Film "Meta" von Regisseur Michael Schwarz (Isaak Dentler, Fürchte dich) Parallelen zu einem Mord an einer jungen Berliner Prostituierten. Die Verbindung zwischen filmischer Realität und Fiktion ist hergestellt und das spannende Spiel mit bis zu vier (!) Handlungsebenen gleichzeitig beginnt.

Während Karow sich die Nächte um die Ohren schlägt und ganz in der Kino-Geschichte von Drehbuchautor Peter Koteas (Simon Schwarz, Inkasso-Heinzi im Wiener Tatort) verliert, schenkt Rubin seiner Verschwörungstheorie keinen Glauben - ist aber zumindest um eine Verbesserung des kollegialen Verhältnisses bemüht.


RUBIN:
Kriegen wir das hin, nicht nur Kollegen zu sein? Sondern Kumpels oder sowas, irgendwann?

KAROW:
Sicher, gerne. Aber heute glaube ich nicht mehr, oder?


Brachte die meisterhafte Wiesbadener Film-im-Film-Konstruktion Wer bin ich? 2015 bereits große Teile des Stammpublikums auf die Palme, geht der 1048. Tatort sogar noch einen Schritt weiter: Wenn sich bei Karows Filmsichtung durch die Ermittlungen der Filmhelden Rolf Poller (Ole Puppe, Der Maulwurf) und Felix Blume (Fabian Busch, Vielleicht) drei inhaltsähnliche Ebenen gleichzeitig eröffnen, fühlt sich das an, als würde man einen Spiegel in einem Spiegel spiegeln.

Schon während des Tatort-Vorspanns huschen Kinobesucher durchs Bild, die im Saal Platz nehmen und den Krimi auf der großen Leinwand genießen – ein fantastischer Meta-Einstieg, der beim Abspann feierlich wieder aufgegriffen wird und das letzte Kapitel dieses grandiosen Tatort-Meilensteins zuschlägt. Ähnlich wie in Steven Soderberghs Drogenthriller Traffic - Macht des Kartells kennzeichnen Farbfilter außerdem die verschiedenen Erzählebenen, um weniger mindfuckerprobten Zuschauern beim Entwirren der miteinander verknüpften Handlungsfäden Hilfestellung zu bieten.

Der komplexe Krimi ist aber nicht nur ein ästhetisch herausragendes und stark vertontes Spiel mit den Grenzen zwischen Fiktion und Realität, sondern auch eine grandiose Hommage an Martin Scorseses 70er-Jahre-Klassiker Taxi Driver: Die elegant eingearbeiteten Referenzen an den blutigen Feldzug von Vietnam-Rückkehrer Travis Bickle (Robert DeNiro) lassen das Herz jedes Cineasten höher schlagen, verkommen aber nie zum Selbstzweck. Nach einer Schnitzeljagd zu den Klängen von Bernard Hermanns berühmtem Soundtrack montieren die Filmemacher im Schlussdrittel bei einem mitreißenden Showdown alle drei Handlungsstränge parallel: Während sich Bickle brutal den Weg freischießt, quält sich der blutende Karow in ein Kinderbordell und auch Leinwandpolizist Poller gerät in Bedrängnis.

Statt als reines Zitatfeuerwerk zu stagnieren, ist der Krimi aus der Hauptstadt, der in den vergangenen Jahren oft als beinharter Milieuthriller daherkam (vgl. Das Muli), auf der Zielgeraden voll in seinem Element: Der bedauernswerte Karow muss einmal mehr blank ziehen und reichlich Malträtierungen ertragen. Wenngleich man ihm die fast fanatisch vorgetragenen Verschwörungstheorien nicht immer ganz abkauft und der Handlungsschlenker um die Organisation Gehlen ein wenig überambitioniert wirkt, überzeugt dieses verschachtelte Tatort-Meisterwerk doch vor allem durch das faszinierende Spiel mit den verschwimmenden Grenzen zwischen Film, Film im Film und Film im Film im Film.

Würden bei der Berlinale auch Goldene Bären für Fernsehkrimis verliehen, hätte Meta ihn zweifellos verdient.

Bewertung: 10/10

Der kalte Fritte

Folge: 1047 | 11. Februar 2018 | Sender: MDR | Regie: Titus Selge
Bild: MDR/Wiedemann & Berg/Anke Neugebauer
So war der Tatort:

Überraschend emotional und brutal – und für einen Tatort aus Weimar damit bemerkenswert.

Denn eines war bei den ersten fünf Fällen aus der Dichterstadt immer gewiss: Beansprucht wurde beim Publikum weniger das Nervenkostüm als vielmehr das Zwerchfell – konnten sich die Zuschauer angesichts der absurden Geschichten, der hohen Gagdichte und der überzeichneten Charaktere doch schließlich gemütlich auf der Fernsehcouch zurücklehnen und sich von den Schmunzelkrimis sanft und geräuschlos in die Sonntagnacht wiegen lassen.

Bevor Der kalte Fritte zu seinem spektakulären Showdown in einem Steinbruch vor den Toren der Stadt ansetzt, ist das diesmal nicht anders: Nachdem die Hauptkommissare Lessing (Christian Ulmen) und Kira Dorn (Nora Tschirner) in einer schmucken Villa den mit gezielten Schüssen in Hirn, Herz und Hoden getöteten Milliardär Alonzo Sassen und seinen ebenfalls erschossenen Mörder Petteri Salokangas (Lars Rudolph, Wie einst Lilly) inspiziert haben, folgt auch schon direkt die amüsanteste Sequenz in diesem Tatort. Lollo Sassen (Ruby O. Fee), die deutlich jüngere und sichtbar aufgewühlte Ehefrau des Milliardärs, hat den Einbrecher in Notwehr ins Jenseits befördert und bereitet den Ermittlern anschließend den wohl scheußlichsten Kaffee zu, den sie ohne Dorns rechtzeitige Intervention je hätten trinken müssen.

Auch Kollege Lupo (Arndt Schwering-Sohnrey) und Kommissariatsleiter Kurt Stich (Thorsten Merten) sind von Beginn an voll in ihrem Element und feuern mit – allerdings selten witzigen – selbstkreierten Redewendungen aus allen Rohren.


STICH:
Ich glaub, mein Hering hupt!


Während Lupo und Stich im Tatort aus Thüringen nie über das Karikatureske hinauskommen, schlagen Regisseur Titus Selge (Am Ende des Tages) und Drehbuchautor Murmel Clausen (Der scheidende Schupo) bei den Verdächtigen ernstere Töne an: Der titelgebende Bordellbesitzer Fritjof "Fritte" Schröder (Andreas Döhler, Freies Land) macht in seinem Schuppen keine Gefangenen und auch sein Bruder Martin (Sascha Alexander Geršak, Im gelobten Land), der mit seiner Frau Cleo (Elisabeth Baulitz) den einleitend erwähnten Steinbruch betreibt, ist anders als die Kripo nicht zu Scherzen aufgelegt.

Auf der Zielgeraden wird es dann schließlich dramatisch, weil die Filmemacher von jetzt auf gleich in eine überraschend harte Gangart wechseln, bei der sich brutal durchs Puffbüro geprügelt oder Felswände in die Luft gesprengt werden: Nach der Reduktion der Gag-Salven sollen wir auf Knopfdruck um das Leben der Kommissarin bangen – eine solche erzählerische Kehrtwende kann natürlich kaum funktionieren, zumal wir erst wenige Minuten zuvor Zeuge dessen wurden, wie Dorn bei einem Undercover-Einsatz an der Tanzstange im Striplokal dermaßen unbeholfen agiert, dass es Waschbärbauch Lessing kaum weniger sexy hinbekommen hätte.

Das gemeinsame Kind der Kommissare bekommen wir auch im 1047. Tatort nicht zu Gesicht, während der Cast kaum gefordert wird: Ruby O. Fee beispielsweise darf deutlich weniger zeigen als bei ihren tollen Auftritten als bockige Teenager-Göre im Stuttgarter Tatort Happy Birthday, Sarah und als freizügige Verbrecher-Komplizin im Kölner Tatort Kartenhaus. Mit Stichs Vater Udo (Hermann Beyer, Borowski und die Sterne) gibt es zwar eine neue, aber kaum weniger holzschnittartige Figur, und seine Trickbetrügereien fallen letztlich kaum origineller aus als bei seinen Pendants im Tatort aus Münster, in dem Professor Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) in schöner Regelmäßigkeit Verwandte bei sich begrüßt, die in irgendeinem zurechtgeschusterten Zusammenhang zur Auflösung des Mordfalls stehen (zuletzt in Erkläre Chimäre).

Sympathisch überzeichnete Charaktere wie im Vorgänger Der wüste Gobi sucht man in Der kalte Fritte vergebens, und genau da liegt der Hase im Pfeffer: Für eine wirklich spaßige Krimikomödie fehlt es dem sechsten Fall von Lessing und Dorn auch an liebenswerten Nebenfiguren – für einen Whodunit mit Handlung und Herz hingegen an Tiefgang.

So bleibt neben der köstlichen Kaffeekoch-Einlage vor allem das pfiffige Easter Egg in Erinnerung, mit dem Christian Ulmen seinem Jerks-Kumpel Fahri Yardim (im Hamburger Tatort als Yalcin Gümer zu sehen) bei einer Aktensichtung im Präsidium einen versteckten Gruß zukommen lässt.


LESSING:
Hirn, Herz, Hoden, schreibt Hamburg. Hat auch in Stockholm, Prag, Starnberg, Minsk, Kopenhagen Leute liquidiert. Grüße, Yalcin.


Bewertung: 5/10

Tollwut

Folge: 1046 | 4. Februar 2018 | Sender: WDR | Regie: Dror Zahavi
Bild: WDR/Thomas Kost
So war der Tatort:

Kossiklos.

Denn wenngleich der Dortmunder Oberkommissar Daniel Kossik (Stefan Konarske) den schockierenden Tatort-Meilenstein Sturm mit lebensgefährlichen Verletzungen überlebt hat, kommt die Figur nach dem Ausstieg von Schauspieler Stefan Konarske nur noch in Dialogen vor: Der Ex-Freund von Nora Dalay (Aylin Tezel), die in Tollwut mehrfach mit ihrem Chef Peter Faber (Jörg Hartmann) aneinander gerät und ebenfalls mit Abwanderungsgedanken spielt, ist zum LKA in Düsseldorf gewechselt.

Dafür gibt es für Faber, Dalay und Martina Bönisch (Anna Schudt) ein Wiedersehen mit zwei anderen alten Bekannten, die allerdings wenig erfreulich ausfallen: Da ist zum einen der todgeweihte Gefängnisarzt Jonas Zander (Thomas Arnold), der früher als Rechtsmediziner für die Dortmunder Kripo tätig war (zuletzt in Hydra) und sich mit der titelgebenden Tollwut infiziert hat – einer seiner Knast-Patienten ist an eben jenem Virus gestorben, was die Ermittler überhaupt erst auf den Plan ruft.

Zum anderen sitzt im Gefängnis auch Fabers Erzfeind ein: Serienmörder und Vergewaltiger Markus Graf (Florian Bartholomäi, Taxi nach Leipzig), der die Frau und die Tochter des exzentrischen Kommissars auf dem Gewissen hat und in Auf ewig Dein hinter Gitter gebracht wurde, scheint mehr über die Hintergründe der Infektionen zu wissen und bittet Faber direkt zum Gespräch.

Anders als die anderen Knastbrüder logiert Graf in einer geräumigen Einzelzelle und widmet sich dort in aller Ruhe der Malerei, um seine Bilder anschließend per Post ins Präsidium zu schicken: Eines davon zeigt Faber gen Wolken schwebend.


BÖNISCH:
Immerhin geht er dann davon aus, dass Sie im Himmel landen und nicht in der Hölle. Mit der Meinung dürfte er ziemlich alleine dastehen.


So ganz will die Sonderbehandlung, die Fabers personifiziertes Kryptonit in der Dortmunder (bzw. Magdeburger) JVA genießt, aber nicht einleuchten: Als vergleichsweise schmächtiger Insasse ohne einflussreiche Kontakte sollte Graf hinter dem Rücken der Wächter ein leichtes Opfer für seine wenig zimperlichen Knastbrüder sein – stattdessen lassen die ihn in Ruhe und der charismatische Psychopath darf zur Freude seiner Anwältin Miriam Schott (Yvonne Yung Hee Bormann, Die chinesische Prinzessin) sein Faible für Kunst ausleben und Faber terrorisieren.

Diese Hannibal-Lecter-Anleihen wirken etwas überzeichnet, doch fällt das angesichts des hohen Unterhaltungswerts nicht allzu schwer ins Gewicht: Regisseur Dror Zahavi, der zuletzt den überzeugenden Dortmunder Tatort Kollaps und den hochspannenden Kölner Beitrag Franziska inszenierte, stellt erneut sein Händchen für authentische Knast-Krimis unter Beweis und arrangiert hinter Gittern das fesselnde Aufeinandertreffen zweier Männer, die sich hassen und gleichzeitig brauchen.

Auch im 1046. Tatort scheint der gewiefte Graf wieder bis zur verblüffenden Auflösung am längeren Hebel zu sitzen – der großartige Twist auf der Zielgeraden entschädigt locker für die kleineren Unstimmigkeiten und Oberflächlichkeiten im Drehbuch. Anders als im etwas überfrachteten Auf ewig Dein klammert Stammautor Jürgen Werner (Tanzmariechen) diesmal auch die privaten Störfeuer aus: Sieht man von Bönischs "Mitleidsfick" mit Zander ab, konzentriert sich das Geschehen auf die Ermittlungen im Knast und die gewohnt emotionalen Streitgespräche im Präsidium.

Bevor Kossiks desiginierter Nachfolger im Tatort Tod und Spiele offiziell seinen Dienst antritt und das personelle Vakuum ausfüllt, ist er hier als Undercover-Ermittler in der JVA zu sehen und muss machtlos mitansehen, wie sein Zellengenosse qualvoll ums Leben kommt: Die wilden Krampfanfälle und verzweifelten Schreie der Todesopfer könnten auch gut aus einem Horrorfilm stammen, während die Bedrohung und Überlegenheit, die Graf ausstrahlt, deutlich subtilerer Natur sind.

Trotz oder gerade deswegen entfaltet das Duell mit Faber eine große Faszination – und wir können uns sicher sein, dass der brutale Killer im Dortmunder Tatort noch einmal eine Rolle spielen wird. Hier ergibt sich eine auffällige Parallele zum Kieler Kollegen Klaus Borowski (Axel Milberg), dessen mitreißende (und bis dato noch nicht beendete) Dauerfehde mit dem stillen Gast Kai Korthals (Lars Eidinger) allerdings noch etwas mitreißender und glaubwürdiger ausfällt.

Bewertung: 8/10