Tödliche Souvenirs

Folge: 536 | 22. Juni 2003 | Sender: ORF | Regie: Peter Sämann
Bild: ORF
So war der Tatort:

Fast 90 Minuten koffeinfrei. 

Bei seinem neunten Einsatz ermittelt Major Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) nämlich auf dem Mieminger Plateau in Tirol – und in der dort sporadisch in einem Stall (!) eingerichteten Einsatzzentrale der Gendarmerie ist das in der Krimireihe so oft geschlürfte Heißgetränk aufgrund einer fehlenden Kaffeemaschine lange Zeit nicht zu bekommen.

Dabei ist die Aufmerksamkeit des aus Wien angereisten Ermittlers diesmal besonders gefragt: Eisner muss nicht nur einen, sondern gleich mehrere Morde aufklären. Im ebenso malerischen wie fiktiven Urlaubsort Lahnenberg sterben kurz nacheinander ein Paraglider, ein Mountainbiker und ein Kajakfahrer. Was auf den ersten Blick wie eine Anhäufung tragischer Unfälle bei der Ausübung ihrer Hobbys anmutet, entpuppt sich schnell als Serie gezielter Tötungsdelikte. Zudem finden die Ermittler an allen drei Tatorten eine Schneekugel – das titelgebende Souvenir, das der Täter hinterlassen hat. Dritte Verbindung zwischen den Leichen: Die Toten wohnten im selben Hotel.

Dieses Hotel nehmen Eisner und seine Kollegin Stefanie Gschnitzer (Roswitha Szyszkowitz), die bereits im Vorgänger Elvis lebt! gemeinsam auf Täterfang gingen und wieder vom sympathisch-ulkigen Hans Pfurtscheller (Alexander Mitterer) unterstützt werden, genauer unter die Lupe. Dabei gerät zunächst Jan Becker (Philipp Hochmair, Murot und das Gesetz des Karma), DJ und Animateur des besagten Hotels, in den Fokus. Becker hatte mit einem der Opfer kurz vor dessen Tod eine körperliche Auseinandersetzung und scheint die Morde eher als Touristenattraktion zu sehen, die er für sein Publikum musikalisch ausschlachtet. 

Für den auffallend unsympathischen Hotelbesitzer Markus Kofler (Alexander Strobele, Wehrlos), der mit seinem Bruder Werner (Martin Walch, Perfect Mind: Im Labyrinth) die Geschäfte führt und mit seinem klischeehaften Auftreten auch als Mafiaboss oder Zuhälter Karriere machen könnte, sind die Todesfälle hingegen massiv geschäftsschädigend. Ihm laufen die Gäste genauso in Scharen davon wie dem als Hotelier tätigen Bürgermeister Robert Stöckl (Ludwig Dornauer, Granit), der wegen des Konkurrenzdrucks vor dem Konkurs steht und vom modernen Tourismus die Nase voll hat.


STÖCKL:
Eigenes Hallenbad, immer mehr Betten, Gourmet, Relax, Wellness, Beauty, Fun, Fitness, Activity. Ich kann das alles schon nicht mehr hören! Da krieg' ich Magenweh!
.


Ein Moment, der gerade vor dem Hintergrund des auch schon im Jahr 2003 fortschreitenden Klimawandels nachdenklich stimmt. Die Kritik am ungezügelten Alpentourismus von Drehbuchautor Felix Mitterer (Passion), aus dessen Feder auch die weiteren Tirol-Folgen des ORF stammen, verhallt in den Tiroler Bergen aber schnell wieder. Das Gegenmodell zu den profitorientierten Kofler-Brüdern bildet zwar ausgerechnet deren eigener Vater Hans (Theo Rufinatscha), der sich schon vor Jahren von seinen Söhnen und seiner Frau (Julia Gschnitzer, Urlaubsmord) abgewandt hat. Und doch wirkt das alles nicht überzeugend, weil der 536. Tatort oft in die unfreiwillige Komik abdriftet.

Das beginnt schon bei der eingangs erwähnten Kaffeemaschine, deren Beschaffung zum Running Gag wird. Als sie endlich da ist, macht ihr ein Fauxpas Pfurtschellers direkt wieder den Garaus. Das ließe sich mit dem ansonsten ernsten Grundton vereinbaren, aber auch mit der Darstellung seiner Nebenfiguren wandelt Tödliche Souvenirs am Rande der Parodie. Besonders deutlich wird das am Beispiel des Hotelgastes Heinermann (Klaus Münster, Tod im U-Bahnschacht), der tiefstes Sächsisch sprechen muss, um klar als Tourist erkennbar zu sein. Das ist schwerlich ernst zu nehmen, wenn er den Ermittlern nach einer tragisch endenden Klettertour Rede und Antwort steht.

Eisners Tête-à-Tête mit der US-amerikanischen Bardame Liz (Dennenesch Zoudé, Die Guten und die Bösen), die ihre Bühnenkarriere aufgegeben hat, aber auch im Hotel nicht recht glücklich ist, wirkt ebenfalls zu konstruiert. Auch ihrer Figur fehlt, wie einigen anderen, schlichtweg die Tiefe. Das alles macht den 536. Tatort unterm Strich zu einer enttäuschenden Angelegenheit.

Regisseur Peter Sämann (Böses Blut), der zum dritten und letzten Mal für einen Tirol-Tatort verantwortlich zeichnet, inszeniert einen unausgewogenen und spannungsarmen Krimi, der auch mit seiner Auflösung (die über den Jahre zurückliegenden Tod eines Models führt) nicht überrascht. Hätten Eisner und Gschnitzer ihre Akten etwas sorgfältiger studiert und auch sonst genauer hingeschaut, hätten sie sich nämlich viel Arbeit erspart. Vielleicht war die Sicht der beiden einfach vernebelt – was bei der enormen Anzahl an Glimmstängeln, die sich insbesondere Eisner im Film ansteckt, nicht verwunderlich wäre. Wenn es schon keinen Kaffee gibt, muss eben ein anderes Laster her...

Bewertung: 4/10

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