Hüter der Schwelle

Folge: 1104 | 29. September 2019 | Sender: SWR | Regie: Piotr J. Lewandowski
Bild: SWR/Benoît Lindner
So war der Tatort:

Magisch.

Denn bei ihrem 24. gemeinsamen Einsatz treffen die Stuttgarter Hauptkommissare Thorsten Lannert (Richy Müller) und Sebastian Bootz (Felix Klare) bei ihren Recherchen auf einen selbsternannten Hexer und Magier: Auf einem malerisch gelegenen Bergplateau vor den Toren der Landeshauptstadt wird einleitend die Leiche des Studenten Marcel Richter (Max Bretschneider) gefunden – und weil man dem Opfer prämortal rätselhafte Zeichen in den nackten Oberkörper geritzt hat und okkultistische Requisiten bei der Leiche gefunden werden, führt der Weg der Ermittler direkt in die gute Stube des Privatgelehrten Emil Luxinger (André M. Hennicke, Ich töte niemand), der den Ermordeten gut kannte und allerlei rätselhaften Hokuspokus in seinen vier Wänden betreibt.

Richters Mutter Heide (Victoria Trauttmansdorff, Frühstück für immer) weist mögliche Verbindungen ihres Sohnes in okkultistische Kreise aber ebenso zurück wie die junge Studentin Diana Jäger (Saskia Rosendahl), die viel Zeit mit dem Toten verbracht hat – Luxinger hingegen behauptet steif und fest, das Opfer habe ihm zu Lebzeiten ein wertvolles magisches Buch gestohlen. Das macht ihn von Beginn an zum Hauptverdächtigen und wichtigsten Gegenspieler der Kommissare – zumal er behauptet, Richter vor dessen Ableben mit einem Schadenszauber belegt zu haben.

Anders als im humorvollen Weimarer Tatort Die harte Kern, der eine Woche zuvor ausgestrahlt wurde und in dem eine exotische Statue ebenfalls mit einem düsteren Fluch belegt war, ist das in Hüter der Schwelle aber alles ziemlich ernst gemeint.


LANNERT:
Also kann ich ins Protokoll aufnehmen, dass Sie in besagter Nacht Marcel Richter verflucht haben?

LUXINGER:
Schreiben Sie "Fluchversuch". Wir wissen nicht sicher, ob's geklappt hat.


Aus dem 1104. Tatort hätte trotz der ausgefallenen (und zweifellos mutigen) Geschichte ein toller Mysterykrimi werden können – denn nur, weil Luxinger an Wiedergeburten in anderen Körpern, ekstatische Gruppenrituale und das direkte Fortschreiben seines Schicksals im 17. Jahrhundert im Hier und Jetzt glaubt, müssen die Kommissare das ja noch lange nicht tun.

Es liegt auch nicht an der düsteren Inszenierung von Regisseur Piotr J. Lewandowski oder den stimmungsvollen Bildern von Kameramann Jürgen Carle, dass der SWR das hohe Niveau der vorherigen Stuttgarter Tatort-Jahre (wir denken zurück an großartige Krimis wie Stau, Der Mann, der lügt oder Anne und der Tod) hier nicht mehr halten kann. Es ist vielmehr das überambitionierte Drehbuch von Michael Glasauer, das im Mittelteil des Films die Bodenhaftung verliert und auch darüber hinaus einige Mängel birgt.

Während Lannert gedankenverloren in alten Schinken aus Luxingers Privatbibliothek blättert, mithilfe eines schwäbischen Pfarrers auf den berüchtigten Hexenjäger Justinus Pfaff aus der früheren Stauferstadt Esslingen stößt und sich plötzlich wider Erwarten selbst in der mittelalterlichen Vorgeschichte wiederfindet, verirrt sich Bootz bei einem auffallend konstruierten Undercover-Einsatz in eine Stuttgarter Bar, in deren kaltem Betonkeller sich der Kommissar in bester Fight Club-Manier mit einem kampfeslustigen Dealer (Gerdy Zint, Alles was Sie sagen) die Nase blutig kloppt.

Wenngleich sich vor allem der weibliche Teil des TV-Publikums über etwas Eyecandy freuen darf, wird dieser actionreiche Handlungsschlenker ziemlich unbeholfen ins Geschehen eingeflochten – und auch das subtile Knistern zwischen Wieder-Single Bootz (wurde in Spiel auf Zeit von seiner Frau Maja verlassen) und der undurchsichtigen Studentin Diana bringt kaum zusätzliche Brisanz in diesen enttäuschenden Tatort.

Was Hüter der Schwelle endgültig das Genick bricht, ist die schwache Auflösung der klassischen Whodunit-Konstruktion, die nur durch einen dramaturgischen Taschenspielertrick zustande kommt: Hätte der eifrige Gerichtsmediziner Dr. Daniel Vogt (Jürgen Hartmann) bei seinen einleitenden Untersuchungen mehr Sorgfalt an den Tag gelegt und bei der Leiche genauer hingeschaut, wäre Lannert und Bootz viel Ärger erspart geblieben. Stattdessen wird seine wichtige Erkenntnis künstlich zurückgehalten, um dem Zuschauer die Auflösung der Täterfrage nicht zu früh preiszugeben.

Da ist man aus Stuttgart deutlich Originelleres und Eleganteres gewöhnt.

Bewertung: 4/10

Rezension der vorherigen Folge: Kritik zum Tatort "Die harte Kern"

Die harte Kern

Folge: 1103 | 22. September 2019 | Sender: MDR | Regie: Helena Hufnagel
Bild: MDR/Wiedemann&Berg/Stephanie Kulbach
So war der Tatort:

Nicht ganz so albern wie die bisherigen Folgen aus Weimar – denn Hauptkommissar Lessing (Christian Ulmen) ist bei seinem neunten Einsatz schon nach kurzer Zeit überhaupt nicht mehr zum Lachen zumute.

Der Ermittler aus Thüringen gerät in Die harte Kern unter Mordverdacht, weil der vor Gericht überraschend freigesprochene Schrottplatzbesitzer Harald Knopp (Heiko Pinkowski, Waldlust) mit Lessings Waffe erschossen wurde – und so dauert es nicht lange, bis die titelgebende interne Sonderermittlerin Eva Kern (Nina Proll, Ein neues Leben) im Kommissariat aufschlägt und Lessing zum Ärger von dessen Partnerin Kira Dorn (Nora Tschirner) in die Mangel nimmt.

Mit diesem Schicksal ist der Weimarer Kommissar nicht allein: In den vergangenen Jahren waren es unter anderem seine Tatort-Kollegen Franz Leitmayr (Udo Wachtveil) in Der traurige König, Peter Faber (Jörg Hartmann) in Zahltag oder Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) in Alles was Sie sagen, die sich bohrende Fragen der internen Ermittler gefallen lassen mussten – und so kommt die erste Stunde der Krimikomödie eine ganze Ecke ernster daher als beispielsweise der turbulente Kirmesausflug Der irre Iwan oder das wilde Westernabenteuer Der höllische Heinz, in denen Spannung und Logik meist hinter Wortwitz und Situationskomik hintenanstehen mussten.

Besonders offensichtlich ist das im Hinblick auf den Weimarer Kripochef Kurt Stich (Thorsten Merten), der bisher als Polizistenkarikatur auf zwei Beinen daherkam und diesmal viel geerdeter wirkt. Zeit für den einen oder anderen Kalauer bleibt natürlich trotzdem, denn da gibt es ja auch noch den einfältigen Schutzpolizisten "Lupo" (Arndt Schwering-Sohnrey), der diesmal bis über beide Ohren verliebt ist und Lessing zugleich als Sparringspartner für Dorn ersetzt.


STICH:
Lupo, ich glaub' deine Freundin hat vorhin angerufen. Auf der 110.

LUPO:
Und ich sag ihr immer: die 110 nur im Notfall!


Die Weimarer Stammautoren Murmel Clausen und Andreas Pflüger schrauben den Humor im 1103. Tatort etwas zurück, doch ein stimmiges Bild ergibt sich unterm Strich nicht: Für eine spritzige und über 90 Minuten unterhaltsame Komödie ist die Pointendichte lange Zeit zu niedrig, für einen kniffligen Whodunit zum Miträtseln mangelt es an einer glaubwürdigen und originellen Geschichte und für ein mitreißendes Krimidrama sind die Charaktere zu überzeichnet. Denn auch Die harte Kern, die bei ihren Ermittlungen nicht die Spur von Erbarmen kennt, ist letztlich nur eine ebenso unsympathische wie einfallslose Figur aus dem Standardrepertoire der Krimireihe, die wir in den oben genannten und vielen weiteren Tatort-Folgen schon dutzende Male zu Gesicht bekommen haben.

Dass hier mehr drin gewesen wäre, zeigt ein köstliches Wortduell im Verhörzimmer, bei dem Lessing bewusst auf einen Anwalt verzichtet und sein Gegenüber mit ironischen Überspitzungen abblitzen lässt – diese amüsante Sequenz ist einer der wenigen Höhepunkte in einem Genremix, dem die klare erzählerische Linie bis zum Schluss fehlt.

Denn nach etwa einer Stunde vollziehen die Filmemacher einen abrupten Wechsel des Erzähltons: Inszeniert Regisseurin und Tatort-Debütantin Helena Hufnagel die erste Stunde noch relativ düster, folgt nach ein paar Krokodilstränen der gebeutelten Kommissarin Dorn plötzlich eine hanebüchene Wendung, bei der der schauspielerisch diesmal weniger geforderten Nebendarstellerin Katharina Marie Schubert (brillierte in Anne und der Tod und Falscher Hase) bereits zum dritten Mal binnen vier Monaten die Schlüsselrolle in einem Sonntagskrimi zukommt.

In der letzten halben Stunde des Films wird dann noch schnell all der Klamauk nachgeholt, ohne den die Krimikomödie bis dato ganz gut ausgekommen ist – ein solcher Stimmungsschwenk kann kaum funktionieren. Und auch der mit klangvollen Namen wie Celine Dion, Cigarettes After Sex oder David Bowie gespickte Soundtrack ändert wenig daran, dass in diesem Tatort trotz vieler guter Ansätze und manchem tollen Spruch am Ende vieles Stückwerk bleibt.

Bewertung: 5/10

Rezension der vorherigen Folge: Kritik zum Tatort "Maleficius"

Maleficius

Folge: 1102 | 8. September 2019 | Sender: SWR | Regie: Tom Bohn
Bild: SWR/Sabine Hackenberg
So war der Tatort:

Vielleicht gar nicht so futuristisch, wie es zunächst den Anschein hat.

Regisseur und Drehbuchautor Tom Bohn (Kalter Engel) nimmt uns in Maleficius mit in das sterile Forschungslabor von Professor Bordauer (Sebastian Bezzel, spielte bis 2016 Hauptkommissar Kai Perlmann im Tatort aus Konstanz) – und was der Mediziner dort mit seinen hilfsbedürftigen Patienten anstellt, könnte wohl schon in ein paar Jahren tatsächlich Realität werden. In Bordauers Abteilung wird nämlich mithilfe von Gehirnstimulation Demenz bekämpft oder die Bewegungsfähigkeit zurückgewonnen.

So weit, so lobenswert, doch der Tatort wäre nicht der Tatort, würde er nicht auch ausführlich die ethische Fragwürdigkeit und die möglichen Schattenseiten dieser Experimente illustrieren. Im 1102. Tatort wird diese Debatte – auch das ist typisch für die Krimireihe – zulasten der Spannung zwischen den Ludwigshafener Hauptkommissarinnen ausgetragen: Während Nobelpreisanwärter Bordauer für seine Forschungen brennt und Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) Vorbehalte gegen die medizinische Entwicklung hegt, tritt ihre jüngere Kollegin Johanna Stern (Lisa Bitter) dem Ganzen etwas aufgeschlossener gegenüber.

Auch die Kirche hat in Maleficius ein Wörtchen mitzusprechen – in Person von Pfarrer Ellig (Heinz Hoenig, Rendezvous), der in der Klinik, unter deren Dach sich Bordauers prestigeträchtige Forschungsabteilung befindet, als Seelsorger arbeitet und sich den Eingriff des Menschen in Gottes Schöpfung naturgemäß verbittet.


ELLIG:
Frau Kommissarin, wissen Sie, was der größte Erfolg des Teufels ist? Dass er uns Menschen glauben gemacht hat, dass es ihn nicht gibt.


Der beeindruckte Gesichtsausdruck der Kommissarin nach diesem altbekannten Usual-Suspects-Zitat ist bezeichnend für das, was auch den Rest dieser missglückten Tatort-Folge kennzeichnet: Die Dialoge der klassischen Whodunit-Konstruktion mit Frankenstein-Anleihen zählen zum Einfallslosesten, was man im Jahr 2019 noch in der Krimireihe zu sehen bekommt, Kleindarsteller werden mit aufgesetzten One-Linern gestraft und die Inszenierung und die Komparsen-Einsätze wirken trotz des modernen Settings auffallend steif und mechanisch.

Aus dem erzählerischen Erfolgsprinzip Show, don't tell wird im Tatort aus der Pfalz wieder das deutlich weniger originelle "Show and tell" – das wirkt vor allem beim Blick auf andere Tatort-Städte wie Berlin oder Stuttgart, in denen viel moderner und variabler erzählt wird, wie aus der Zeit gefallen.

Hinzu gesellen sich klischeebeladene Figuren: Während Tatort-Rückkehrer Bezzel als Cola-Junkie im Schlabberlook zumindest optisch den Gegenentwurf zu eitlen Vorzeigemedizinern wie Professor Boerne aus dem Münster-Tatort verkörpert, ist Oberstaatsanwalt Fritz Marquardt (Max Tidof), der im ebenfalls von Tom Bohn inszenierten Vorgänger Vom Himmel hoch sein Debüt gab, der Prototyp des arroganten Juristen, den es in Sonntagskrimis viel zu oft zu sehen gibt.

Und dann sind da noch die Jungs, die in der Werkstatt des (natürlich: schmierigen) Autohändlers Ali Kaymaz (Gregor Bloéb, Weihnachtsgeld) und seines hünenhaften Handlangers "Wolfi" (Tim Ricke) schicke Sportwagen restaurieren und illegale Rennen veranstalten: Der halbgare Ausflug in die Fast & Furious-Welt ist für die Kerngeschichte um den verschwundenen Rollstuhlfahrer Lukas Pirchner (Igor Tjumenzev) und die ermordete Assistenzärztin Dr. Marie Anzell (Jana Voosen, Der sanfte Tod) zwar ziemlich nebensächlich, bekommt aber dermaßen viel Platz im Drehbuch eingeräumt, dass man meinen könnte, zu komplexen Themen wie Transhumanismus und Künstlicher Intelligenz sei den Filmemachern für 90 Minuten nicht genug eingefallen.

Das wiederum könnte daran liegen, dass die SWR-Redaktion das nervtötende Dauergezicke der weiblichen Alphatiere im Präsidium aus den Drehbüchern hat verbannen lassen – ansonsten muss man aber lange suchen, um Maleficius etwas wirklich Positives abzugewinnen. Die Auflösung ist vorhersehbarer als ein Busfahrplan und in der Hotellobby, in der bereits der Showdown von Vom Himmel hoch spielte, hat der SWR das Set einfach nochmal aufgebaut (s. Bilder unten).

Zumindest Odenthals unbefugtes Eindringen in Bordauers heilige Hallen ist aber spannend arrangiert – schon einen Augenblick später wird dieser Lichtblick aber durch ein hanebüchenes Manöver ruiniert, bei dem sich Stern spontan mit muskelbepackten Autoschraubern verbrüdert.

So gilt dann wieder das, was in den letzten Jahren so häufig für den Tatort aus Ludwigshafen galt: Gut gemeint, aber weniger gut gemacht.

Bewertung: 3/10

Rezension der vorherigen Folge: Kritik zum Tatort "Falscher Hase"

Nanu? Diese Hotellobby aus dem Tatort Maleficius...

... kennen wir doch schon aus dem Tatort Vom Himmel hoch!

Falscher Hase

Folge: 1101 | 1. September 2019 | Sender: HR | Regie: Emily Atef
Ein Herz und eine Seele: Hajo Lohmann (Peter Trabner) und seine Frau Biggi (Katharina Marie Schubert).
Bild: HR
So war der Tatort:

Bei weitem nicht die gutbürgerliche Hausmannskost, die der Krimititel Falscher Hase zunächst vermuten lässt.

Der zehnte Fall der hessischen Hauptkommissare Anna Janneke (Margarita Broich) und Paul Brix (Wolfram Koch), die nach dem einmaligen Ausflug nach Kassel wieder in Frankfurt ermitteln, ist vielmehr ein furioser Genre-Mix im herrlich hässlichen Retro-Gewand – und zugleich eine der ausgefallensten Tatort-Folgen des Jahres 2019.

Dass bei der nostalgieschwangeren Kreuzung aus klassischem Howcatchem, spaßiger Gaunerkomödie und tragikomischem Ehedrama laut gelacht werden darf, offenbart sich schon nach wenigen Sekunden: Der mittelständische Unternehmer Hajo Lohmann (Peter Trabner, auch bekannt als Rechtsmediziner Falko Lammert im Tatort aus Dresden) will mit seiner Frau Biggi (Katharina Marie Schubert, Anne und der Tod) eigentlich nur die Versicherung bescheißen, um seine Firma vor der Zahlungsunfähigkeit zu retten – doch schon im nächsten Augenblick hat Hajo eine Kugel im Bein und der Wachmann Jürgen Röhrig (Thorsten Merten, auch bekannt als Kripo-Chef Kurt Stich im Tatort aus Weimar) eine zwischen den Augen, weil Biggi ihn kurzerhand niederstreckt.

Anders als der Zuschauer werden die Kommissare einleitend nicht Zeuge von Motiv und Tat; Janneke und Brix müssen sich die Hintergründe erst mühsam zusammenreimen. Die Spur führt nicht nur zu den Lohmanns, sondern auch zum etwas einfach gestrickten Lagerleiter Uwe Ohlberger (Godehard Giese, Goldbach): Er ist seinen Vorgesetzten auf die Schliche gekommen und will mit seinem Kumpel "Sahni" (Ronald Kukulies, Spieglein, Spieglein) selbst den großen Reibach machen. Obwohl er in seiner spartanisch eingerichteten Junggesellenbude ja eigentlich alles hat.


OHLBERGER:
Einen vollen Kühlschrank, meinen Flugsimulator – ich bin zufrieden.


Regisseurin Emily Atef, die das Drehbuch zu ihrem eigenwilligen Tatort-Debüt gemeinsam mit Lars Hubrich (Damian) geschrieben hat, inszeniert eine erfrischende und stellenweise brüllend komische Krimikomödie, die dank der furiosen Wendungen und köstlichen Einfälle nie langweilig wird.

Denn so einfallslos der 1101. Tatort beim Blick auf die immerselben Namen auf der Besetzungsliste daherkommt (neben Schubert, Trabner und Merten gibt es auch ein Wiedersehen mit Ex-Kommissar Friedrich Mücke aus dem 2014 abgesetzten Tatort aus Erfurt), so originell und mutig sind das an den Coen-Klassiker Fargo angelehnte Drehbuch und die vielen schrägen Figuren, die man einfach ins Herz schließen muss: Während die Lohmanns als knuffige Parodie auf ein deutsches Vorzeige-Ehepaar gemeinsam durch dick und dünn gehen und dabei reihenweise Sympathiepunkte sammeln, hätte die Witwe Röhrig (Judith Engel, Wahre Liebe) den Tod ihres Gatten angesichts ihres tristen Ehelebens und der wenigen Zeit, die sie noch mit ihrem Ehemann verbracht hat, wohl vorerst gar nicht bemerkt.

Die grotesk-humorvolle Aufarbeitung des deutschen Spießbürgertums, die detailverliebte 80er-Jahre-Ästhetik und die potthässlichen Klamotten, in die man viele Darsteller gesteckt hat, sind allein schon das Einschalten wert – da fällt es nicht allzu negativ ins Gewicht, dass die Spannung zugunsten der Situationskomik auf Sparflamme köchelt und eine späte Videoanalyse der Kommissare der Dramaturgie gelegener kommt, als es der Logik gut tut.

Auch Schauspielerin Katharina Marie Schubert, die bei ihrem zweiten Tatort-Auftritt binnen vier Monaten erneut bravourös aufspielt, lässt mit ihrer mitreißenden Performance über kleinere Schwächen an anderer Stelle hinwegsehen – zu den kriminellen Brüdern Guy (Werner Daehn, Meta) und Rick Kremer (Friedrich Mücke), die in einem dubiosen Feinkostbetrieb Hehlerware verhökern, ist den Filmemachern nämlich nicht viel Originelles eingefallen und die sonst so zauberhafte Johanna Wokalek (Der tote Chinese) ist in ihrer flachen Nebenrolle als Gangstergattin Anouk verschenkt.

Immerhin fügt sich Wokaleks Figur aber stimmiger ins Ensemble ein als der seltsame Staatsanwalt Bachmann (Werner Wölbern, debütierte in Der Turm): Nachdem sich Ex-Kripo-Chef Fosco Cariddi (Bruno Cathomas) im Vorgänger Das Monster von Kassel verabschiedet hat, ist Bachmann offenbar sehr gewillt, in seine Fußstapfen als Fremdkörper im Krimi aus Frankfurt zu treten.

Bewertung: 7/10

Rezension der vorherigen Folge: Kritik zum Tatort "Nemesis"