Borowski und die Sterne

Folge: 741 | 20. September 2009 | Sender: NDR | Regie: Angelina Maccarone
Bild: NDR/Marion von der Mehden
So war der Tatort:

Vom Setting her ähnlich wie Stephen Kings Shining und die entsprechende Verfilmung – denn so wie Stanley Kubricks Horror-Meisterwerk von 1980, auf das es in Minute 74 sogar eine direkte Anspielung gibt, spielt auch Borowski und die Sterne über weite Strecken in einem großen und konservativ eingerichteten Hotel mit langen Fluren.

Gedreht wurde im altehrwürdigen Maritim Hotel Bellevue an der Kieler Förde, das im Film zum "Mareum" wird – denn hier steigen sie ab, die Stars und Sterne, denen der Krimi seinen Titel verdankt. Doch die Ruhe der betuchten Gäste, unter denen sich auch drei Dutzend Marine-Reservisten befinden, wird empfindlich gestört: Margret Saloschnik (Helen Schneider) ist offenbar vom Dach des Hotels in den Tod gestürzt und wird nachts von der Küchenhilfe Tim Krabbert (Stefan Konarske, ab 2012 als Oberkommissar Daniel Kossik im Dortmunder Tatort zu sehen) leblos aufgefunden. Vertuschter Mord oder Selbstmord?

Die Spuren reichen zurück bis in die Blütezeit des Rock 'n' Roll. Und es kommt nicht von ungefähr, dass es neben Schlagerqueen Helen Schneider noch einen weiteren prominenten Gaststar in diesem Tatort gibt: Hugo Egon Balder, der bereits in kleinen Rollen im Kölner Tatort Schlaf, Kindlein, schlaf und im Saarbrücker Tatort Camerone zu sehen war, spielt die praktisch nie ohne Sonnenbrille anzutreffende Musikerlegende Bodo Dietrich und hat den stimmungsvollen Deutschrock-Soundtrack zum Film gleich selbst geschrieben.

Auch Hauptkommissar Klaus Borowski (Axel Milberg) und Polizeipsychologin Frieda Jung (Maren Eggert), die von Kripochef Roland Schladitz (Thomas Kügel) auf den Fall angesetzt und von Kriminaltechniker Ernst Klee (Jan Peter Heyne) unterstützt werden, sind Fan. Doch bis zur ersten Begegnung mit dem geschätzten Rockstar, der einst mit dem Opfer liiert war, vergeht in Borowski und die Sterne fast eine Stunde: Spuren wollen gesichert, Hotelpersonal befragt und Borowskis Geburtstag gefeiert werden. Er lädt Jung in einer schmucklosen Gastwirtschaft zu Eisbein ein, Jung schenkt ihm ein Taschenmesser. Wenn das nicht Liebe ist.


JUNG:
Wie fanden Sie mein Geschenk?

BOROWSKI:
Zunächst etwas unpersönlich.

JUNG:
Wäre Ihnen ein Stofftier lieber gewesen? Es ist allerdings sehr mühsam, damit eine Flasche Bier zu öffnen oder im Dunkeln den Weg zu finden.

BOROWSKI:
Ja, aber dann wurde mir klar, dass Sie nun durch diese kleine Nützlichkeit quasi immer bei mir sind.


Der Spannung sind diese köstlich pointierten, stets mit subtilem Flirt durchzogenen Dialoge alles andere als dienlich: Borowskis 13. Fall plätschert in dem durchaus reizvollen Mikrokosmos Hotel, den die Kamera nur für wenige andere Schauplätze verlässt, über weite Strecken gemächlich dahin, und man hat von Beginn an das Gefühl, dass das Ausloten der Beziehung zwischen Psychologin und Kommissar die viel wichtigere Geschichte in diesem Tatort ist.

Die Whodunit-Konstruktion von Drehbuchautorin Angelina Maccarone (Erntedank e.V.), die auch Regie führt, mutet ansonsten nämlich eher einfallslos an: Ein vermeintlicher Suizid, der mühelos als Mord enttarnt wird, ein halbes Dutzend Tatverdächtiger im näheren Umfeld des Opfers und ein muffeliger Kommissar, der die Standardmomente der Krimireihe tapfer abklappert – das hat man so oder so ähnlich schon sehr häufig gesehen, wenngleich die klassischen Momente bei einem Besuch in der Sauna von Ex-Gitarrist "Hendrix" Krause (Hans-Uwe Bauer, Heimspiel) oder im Schwimmbad durchaus originell variiert werden.

Auch die Nebenfiguren hinterlassen keinen nachhaltigen Eindruck: Am meisten Kamerazeit ist nicht dem leicht überzeichneten Rockstar Dietrich, sondern Rezeptionistin Janis Saloschnik (Esther Zimmering, Scheherazade) vergönnt – der Tochter des Opfers, die nach US-Sängerin Janis Joplin benannt wurde. Reizvoll erscheint anfangs ihre Beziehung zu Küchenhilfe Krabbert, dessen Kleidung sie heimlich in der Wäscherei ihres krebskranken Vaters Eberhard (Hermann Beyer, Der kalte Fritte) reinigt – wenig reizvoll und schlichtweg anstrengend sind auf Dauer aber die mahnenden Worte von Hotelmanager Arved (Matthias Bundschuh, Salzleiche), der die Liaison kritisch beäugt.

Auch die Auflösung der Täterfrage verpufft ohne Verblüffungseffekt, und so ist der 741. Tatort weniger mit Blick auf den 08/15-Kriminalfall, als vielmehr mit Blick auf die Charakterzeichnung ein denkwürdiger: Jung und Borowski landen auf der Zielgeraden im (Hotel-)Bett – das lange Beschnuppern findet in Borowski und die Sterne endlich ein glückliches Ende. Man freut sich für beide. Von Dauer ist das Glück allerdings nicht: Schon der nächste Kieler Tatort Tango für Borowski ist der (vorerst) letzte mit Frieda Jung, die 2015 in Borowski und die Rückkehr des stillen Gastes noch ein allerletztes Mal an die Förde zurückkehrt.

Bewertung: 5/10

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